Denn sie wissen nicht was sie tun
Einer Regiegröße wie Wolfgang Petersen zu unterstellen, er wüsste nicht was er tut, klingt erst einmal reichlich überheblich. Von ihm sind die von mir innig geliebten "Tatorte": Jagdrevier", "Blechschaden" und "Reifezeugnis". Nichtsdestotrotz könnte man doch den "Heimkehrer" darüber in Kenntnis setzten, dass sich mittlerweile in 45 Jahren staatlich kontrollierter Filmförderung, die Publikumswahrnehmung auf hiesige Produktionen nicht unbedingt zum guten entwickelt hat. Filme werden hier mittlerweile gedreht weil es dafür Fördermittel gibt, und nicht um diese Filme einem Publikum zu zeigen. Dies kurz zur grundsätzlich miesen Ausgangssituation aller Beteiligten.
Dabei wollte ich mit meinen Positiven Eindrücken beginnen. 'Vier gegen die Bank' hat eine nette Massage und einige freundliche Momente. Die sind zwar recht zügig abgearbeitet, in Ansätzen erkennt man aber durchaus einen Plan. Michael Herbigs hintergangener Bankangestellter ist fein getroffen. Herbig nimmt sich hier leicht zurück, ist aber voll in seiner Rolle und es macht einfach Spaß in zu sehen. Wie auch Jana Pallaske, Antje Traue und Thomas Heinze. Welche das professionelle (teilweise amüsante) Rückgrat dieser ansonsten mageren Geschichte bilden. Das erste "Phänomen", dass dem Zuschauer die Grübelfalten auf die Stirn treibt, ist die von Jan Josef Liefers dargestellt Figur. Wie der Titel schon unschwer erkennen lässt, handelt die Geschichte von Vier Figuren. Diese zu zeichnen kann eigentlich nicht so schwer sein, leider funktioniert dass hier nur dreimal zufriedenstellend. Liefers "spielt" mit unglaublicher Irrelevanz, einen Schauspieler mit Karriereproblemen. Er steht immer irgendwie im Bild herum, auffallend kantenlos, durchschaubar und irgendwie langweilig. Bis zum Ende des Films wartet man darauf was denn nun sein Geheimnis sein mag. Da dies aber nicht offenbart wird, war der "Trick"wohl etwas nicht zu zeigen?
Petersen, seinem Projekt und seiner Rückkehr hat wohl ein jeder alles Gute gewünscht. Doch schon das Plakat dieses Werkes, welches seinen prominenten Cast auf nichts sagende Art in einem Liebloslayout präsentiert, zentriert schon einmal das große Dilemma des deutschen Films. Es soll, es muss, total witzig werden. Und so mutiert das Ergebnis (freundlich beschrieben) recht schnell zum Gagwettbewerb eines Comedy Workshops. Man kann es sich auch einfach machen und das Ganze als nicht mehr ganz taufrische und irgendwie lieblos herunter gekurbelte Durchschnittskomödie bezeichnen.
'Vier gegen die Bank' neu zu verfilmen war eine gute Idee. Man sollte in der Kunst jedoch mit ungedrosselter Hingabe und Leidenschaft agieren, sonst können sich die Verdrießlichkeiten schon mal zu einer rekordverdächtigen Bruchlandung summieren. Z. B. wäre eine Überarbeitung des original Buches besser gewesen, als neue Figuren zu entwerfen, die so oberflächlich bleiben wie ihr Porträt auf der Außenwerbung dieses Remakes.
Der Regisseur, dessen letzte Hollywood-Produktion "Poseidon" (zu) wenig Erfolg beschieden war, scheint seine eigenen Ansprüche nach unten korrigiert und sich an seiner alten Wirkungsstätte ungeprüft den Fahrplänen des Förderkinos angepasst zu haben. Nur so erklärt sich, dass diesem Remake ein außergewöhnlich unausgereiftes Script zu Grunde liegt. Diese auf wackligen Beinen stehende Basis, ist verantwortlich für eine Kettenreaktion an Fehlentscheidungen, Entbehrlichkeiten und flachen Wortwitzen. Ein Rudiment, ohne Feinschliff, ohne ausgereifte Charaktere, mit schwachen Anfang, ohne Ende, mit wenigen sitzenden Pointen, bei dem jeder in die Jahre gekommene Gag bereits einer zu viel ist. Ein Drehbuch, mit nicht viel mehr als der Idee eines Banküberfalls. Es ist sehr mutig so etwas "unreflektiert" zu übernehmen und zu glauben, Deutschlands Superstars werden dass mit ihrer überbordenden Präsenz schon irgendwie stemmen. Leider ist dann genau dass dabei heraus gekommen: Ein nicht besonders subtiles Aufeinandertreffen von schauspielerischer Kraftmeierei. Der Mr. Overacting des deutschen Kinos, Matthias Schweighöfer, läuft in jeder seiner Szenen zu "Hochform" auf und überagiert ständig mit sich selbst um die Wette. Sein Werbefachmann Max ist gespielt und wirkt gespielt, man wünscht sich ständig 75 % weniger Einsatz (mehr Entspannung für Schweighöfer). Til Schweigers, die Rocky-Filme zitierender Charakter, agiert wie eine sich mühselig windende Attrappe jener Klassiker, die er so unverhältnismäßig zu kopieren versucht. Ich möchte mich ausdrücklich nicht in die Schweiger-Lästerer einreihen! Ich halte Schweiger für einen guten Schauspieler, guten Typen, für den zurecht herausragenden Typen des deutschen Kinos. Und so ist sein Performance fast schon der Film im Film und hebt sich selbst eigentlich auf ein einsames, isoliert zu diskutierendes Niveau.
Vielleicht war es auch so, dass der Regisseur die meiste Zeit nicht persönlich am Set war und so seine Stars nicht unter Kontrolle bekommen konnte? In Interviews sprach der Regisseur vom Respekt und von Zweifeln darüber, das schwierigste aller Filmgenre "Comedy" vielleicht nicht zu können. Und so wollte er 'Vier gegen die Bank' kurz vor dem deutschen Kinostart eigentlich nur promoten, es klang aber wie eine verspätete Einsicht und Entschuldigung.
Vor 40 Jahren (!) konnte Wolfgang Petersen, der immer ein sensationelles Händchen für Darsteller hatte, Comedy. Bereits 1976 verfilmte der Emdener die Geschichte von Autor Wolfgang Menge. Das Ergebnis war ein federleichter und komischer Film, allerdings mit todernsten, grimmigen Charakteren, die um ihre bedrohte Existenz bangen mussten. Brillant gespielt von Walter Kohut, Harald Leipnitz, Herbert Bötticher und dem beispiellosen Günther Neutze. In der Geschichte des Originals führten die Ereignisse dazu, dass die Figuren einen riskanten Entschluss fassten, an einem Plan arbeiteten und dieses im Verborgenen treiben mussten. Das war illegal, brenzlig, ein Spiel mit dem Feuer, aus dem sich viele lustige Momente ergaben. Die Figuren des Remakes hingegen haben keinerlei Ängste auszustehen und niemanden zu fürchten. Sie spielen nur, sie begehen quasi nur einen Streich. Man klaut Äpfel in Nachbars Garten. So entsteht selbstverständlich an keiner Stelle Reibung zwischen Gesetzesbrechern und Gesetzeshütern. Für den Zuschauer bedeutet dass durchhalten und hoffen auf irgendetwas unvorhergesehenes, etwas überraschendes. Die Logik dieser Geschichte fährt dann ziemlich zügig und ungebremst die wenig vorhandene Spannung des Banküberfalles gegen die Wand. In der Arithmetik eines Wolfgang Petersen wandeln sich die Protagonisten während ihres Überfalls zu völligen Trotteln und alles eskaliert in einer paukerfilmartigen Klamotte. Ab dem geschilderten Überfall möchte man eigentlich aufgeben.
So bleibt es wieder einmal nur bei einem Versuch, den Kontakt in einer zerrütteten Beziehung wieder herzustellen. Dabei fühlte es sich diesmal schon fast wie etwas besonderes an ... Wenn das deutsche Kino die Eltern sind und das deutsche Publikum die Kinder, dann brauchen wir gute Sozialarbeiter. Die Sozialarbeiter sollten, nein, müssen unabhängig sein.
Diese Geschichte hätte viel Potential zu einem Erfolg gehabt und der Mann aus Ostfriesland dem deutschen Filmentwicklungsland neue Möglichkeiten aufweisen können. Ich würde mir wünschen er versucht es nochmal. Einen "deutschen" Film. Den hierzulande typischen Genres, Komödie und Förderkino, noch ein drittes hinzufügen. Bankräuber in einem Drama? Eine ernste Geschichte mit lustigen Szenen zu erzählen? Wer bitte kann dass den hiesigen Politikern, Verantwortlichen, Filmemachern und Produzenten übersetzen?
Michael Cohlhaas