Ein schwerwiegender Fehler könnte ein Wall-Street-Unternehmen bei einer wichtigen Fusion teuer zu stehen kommen. Während sich die Aktie im freien Fall befindet, muss jemand die Verantwortung für die Fusion übernehmen - und wer würde sich da besser eigenen als ein älteres Vorstandsmitglied, das in einer Wellness-Klinik in den Schweizer Alpen weilt? Daher erhält ein junger Angestellter, gespielt von Dane DeHaan, den Auftrag, in die Schweiz zu fahren und den Mann zurückzuholen. Dies entpuppt sich jedoch als Herkulesaufgabe, da der betagte Wellness-Urlauber seinen Aufenthalt in der Klinik nicht beenden möchte und der junge Mann, der ihn zurück nach New York holen sollte, sich zu allem Überfluss bei einem Unfall ein Bein bricht. Daraufhin sitzt er selbst in der entlegenen Klinik, in der sich allerhand Merkwürdiges abspielt, fest
„A Cure for Wellness“ beginnt wie ein Börsenthriller, der die Fratze des überhitzten Wall-Street-Kapitalismus bereits in den ersten Szenen enthüllt, wenn der rastlose Protagonist, einer dieser jungen, ehrgeizigen und bleichen Nachwuchs-Banker, vorgestellt wird, wenn ein Mitarbeiter seines Unternehmens während der Arbeit an einem Herzleiden verstirbt und das antikapitalistische Pamphlet des in der Schweiz weilenden Vorstandsmitglieds verlesen wird. Verglichen mit dieser gehetzten Welt aus Computerbildschirmen und Großraumbüros in kühlen Stahl-Glasbauten erscheint die malerisch gelegene Wellness-Klinik in den Schweizer Alpen mit ihrem entschleunigten Tagesablauf zunächst wie ein kleines Paradies. Zunächst.
Denn was „Fluch der Karabik“-Regisseur Gore Verbinski, der mit „The Ring“ bereits Erfahrungen im Horror-Genre sammeln konnte, hier präsentiert, ist kein Börsen-Drama a la „Wall Street“, sondern eine klassische Schauergeschichte, wie sie zuletzt Guillermo del Toro in „Crimson Peak“ erzählte. Und so verdichten sich schnell die unheilvollen Anzeichen: Der Fahrer erzählt auf dem Weg zur Klinik, dass fast niemand von dort zurückkehrt, während sich das Personal vor Ort ausgesprochen suspekt verhält und schnell klar wird, dass sich hinter der Fassade des freundlichen Klinikleiters etwas Finsteres verbirgt. Und natürlich wabert durch die Gänge der Einrichtung eine unheimliche Vergangenheit, eine 200 Jahre alte Geschichte um Leid, Tod, Inzest und medizinische Experimente. Wer sich jetzt fragt, warum der Protagonist dennoch blind für alle Warnungen und Vorzeichen ins Verderben rennt und niemand außer ihm zu bemerken scheint, dass hier etwas nicht stimmt, der wird wenig Vergnügen an diesem zweieinhalbstündigen Gothic-Horrorfilm finden, der vor allem im Mittelteil etwas schwergängig erzählt ist.
Wer sich dagegen auf die Prämissen des Films einlässt, der wird vor allem durch Verbinskis virtuose Inszenierung für die inhaltlichen Mängel entschädigt. Wenn die Limousine des Protagonisten zum ersten Mal zur auf einem Berg gelegenen Klinik fährt, erinnert die opulente Kamerafahrt durch die Schweizer Alpen nicht zufällig an die Eröffnung von Stanley Kubricks „Shining“. Auch im weiteren Verlauf tragen die streng durchkomponierten, kühlen Bilder die Handschrift des perfektionistischen Altmeisters. Die Burg Hohenzollern, auf welcher der größtenteils in Deutschland gedrehte und vom Filmstudio Babelsberg produzierte Film entstand, wird dabei genauso gekonnt in Szene gesetzt, wie die düsteren Gänge der Klinik und natürlich die antiquierte medizinische Ausstattung, die für den Film zusammengetragen wurde. Mit der dumpfen Geräuschkulisse und dem unheimlichen Gesang im Hintergrund kreiert Verbinski so eine gespannte Atmosphäre und setzt mit einigen alptraumhaften Szenen echte Höhepunkte. Neben den Horror-Sequenzen, in denen meist Aale eine hervorgehobene Rolle spielen, gehören dazu wirkungsvolle Ekel-Szenen, in denen beim Protagonisten etwa gegen seinen Willen ein Zahn durchbohrt oder eine Magensonde gesetzt wird.
Kubrick ist aber nicht das einzige Vorbild dieses Films. Die Story um das abgeschiedene Sanatorium hat Anleihen bei Thomas Manns „Zauberberg“, worauf auch direkt angespielt wird, während die Story um den zu Unrecht in der Klinik einsitzenden Protagonisten, an dessen psychischer Verfassung man zunehmend zu zweifeln beginnt, an Scorseses „Shutter Island“ erinnert. Hinzu kommen ein Schuss Kafka, David Lynch und diverse Horror-Klischees, die sich vor allem beim etwas überzogenen Showdown schließlich Bahn brechen. Wenngleich die mysteriöse Geschichte letztendlich halbwegs passabel aufgelöst wird und die permanenten Anspielungen und Andeutungen für Genrefans recht interessant sein dürften, verfestigt sich so der Eindruck, das alles so oder so ähnlich schon einmal gesehen zu haben. Trotzdem ist „A Cure for Wellness“ ein sehenswerter Film geworden, was auch Hauptdarsteller Dane DeHaan geschuldet ist, der zunächst als überehrgeiziger Banker Antipathien auf sich zieht, schließlich aber, in die Opferrolle versetzt, als Held des Films funktioniert. Daneben weiß auch Jason Isaacs mit kühler Aura als Leiter der Klinik zu überzeugen, ebenso wie die sehr rätselhafte Mia Goth, die mindestens genauso viele Geheimnisse zu umgeben scheinen, wie die Einrichtung, in der sie lebt.
Fazit:
Gore Verbinski erzählt mit „A Cure for Wellness“ eine klassische Schauergeschichte, deren inhaltliche Substanz nicht ganz ausreicht, um die zweieinhalbstündige Laufzeit gänzlich auszufüllen. Allerdings entschädigen die perfekt durchkomponierten Bilder, die sehenswerten Schauplätze und die opulente Ausstattung, für vieles. In den besten Szenen des Films ist „A Cure for Wellness“ an alptraumhafter Surrealität und Bildgewalt kaum zu übertreffen.
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