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Je mehr Filme M. Night Shyamalan dreht, desto offensichtlicher wird seine Zugehörigkeit zur Welt der B-Movies. Dies ist eine jüngere Erkenntnis, die unmittelbar nach „The Sixth Sense“ noch weit entfernt gewesen ist. Damals befasste er sich ausschließlich mit der Umkehrung der inhärenten Logik des Drehbuchs zu einem Plottwist der klassischen Schule, ausgehend von einem geschmackvoll dirigierten Spannungsbogen. Shyamalan galt als moderner Meister seines Fachs, der gerne mit seinem Vorbild Alfred Hitchcock verglichen wurde und in dieser Position auch ein größeres Publikum bündeln konnte, das mit den Vorzügen der B-Riege nie in Kontakt geraten ist.

Als sich Shyamalan punktuell jedoch jenem Geltungsbereich zu nähern begann, der ein breiteres Verständnis der „Suspension Of Disbelief“ pflegte und Unglaubwürdiges oder Unlogisches herzlicher willkommen hieß, stieß er bei vielen auf Häme, die in der Auflösung seines Geisterdramas die eigentliche Brillanz erkannten (und sich dabei auf die Mechanik versteiften). Wenn man nun sieht, wie grobschlächtig er viele Jahre später sein neues Werk „Split“ auflöst, könnte man gar zu dem Schluss kommen, einen Twist, den gebe es gar nicht mehr; allenfalls einen Schlussgag mit Aha-Effekt für das versierte Publikum. Doch ein Twist, der ist sehr wohl vorhanden, auch wenn er mit dem Plot weniger gemein hat als mit der Genre-Kategorisierung: Ist „Split“ wirklich der Schizo-Thriller, der er zu sein vorgibt?

Mehr als die letzte Regiearbeit „The Visit“ benötigt „Split“ die aktuelle Filmlandschaft als Kontext, um funktionieren zu können. Es handelt sich um einen durchaus scharfsinnigen Kommentar zur momentanen Lage des Kinos, der über das Differenzprinzip funktioniert: Je mehr sich das, was der Film zeigt, von der übrigen Filmlandschaft abhebt, desto effektiver seine Wirkung. Und man kann wohl sagen, dass man so etwas wie James McAvoys Darstellung im Jahr 2017 kein zweites Mal erlebt hat: Grimassierend verleiht er drei, vier, fünf, sechs Menschen individuelle Persönlichkeiten, die ganz bewusst verzerrten Karikaturen ähneln. Was der Schauspieler leistet, ist eine spektakuläre Demonstration dessen, was der B-Film zu bieten hat, und wäre die Academy nicht so sehr in den Gedanken verbissen, geschmackvolle, nuancierte und „realistische“ Leistungen küren zu müssen, wäre sie um seine Nominierung nicht herumgekommen. Dass seine Figur insgesamt 23 unterschiedliche Persönlichkeiten in sich vereint, weiterhin ein unbestimmtes „Monster“, lässt Raum für Spekulation und unterfüttert die von Shyamalan stets kultivierte, besonders in „The Village“ zelebrierte Angst vor dem Unbekannten.

Ohnehin dauert es nur wenige Sekunden, um zu realisieren, dass die Zeit mitsamt der grässlichen Mainstream-Ausflüge „The Last Airbender“ und „After Earth“ die formellen Eigenarten des Regisseurs im Endeffekt nicht verbiegen konnte. Als Hauptdarstellerin Anya Taylor-Joy in der Eröffnungsszene ihren Blick starr ins Off der Kamera richtet, während die Kamera im Hintergrund unscharf die sich auflösenden Reste einer Geburtstagsparty einfängt, ist man wieder mitten in der Treppenhaussequenz aus „The Sixth Sense“, als seien seither nicht beinahe 20 Jahre vergangen. Mit dem ersten Auftritt McAvoys gelangen dann die ersten Rätsel ins Spiel: Warum registriert und betäubt er gezielt nur die Passantinnen, die sich an seinem Auftreten stören? Später dann: Woher nimmt Casey die Geistesgegenwart, der weggezerrten Marcia mit festem Blick noch auf den Weg zu geben, sie solle sich einpinkeln? Shyamalan lanciert in der ihm eigenen Art im ersten Akt immer wieder kryptische Momente, die hohe Spannung erzeugen und dadurch auch hohe Erwartungen. Ihre Campyness schützt dabei aber vor allzu prätentiöser Aufladung mit Bedeutung. Fast so, als möchte man uns sagen: Es ist nur ein dummer Film. Genießt ihn.

Dies gilt umso mehr, wenn Shyamalan im letzten Drittel McAvoy endgültig von der Leine lässt. Als die Manifestation der Geisteskrankheit der Hauptfigur wilde Ranken schlägt, werden definitiv die Pfade des guten Geschmacks verlassen, und zwar in vielerlei Hinsicht. Die Bereitschaft des Publikums, derartige Szenen zu akzeptieren, war selbst in großen Blockbustern mit dominanten Computereffekten schon geringer, bei einem Shyamalan ohnehin (was wurde „Das Mädchen aus dem Wasser“ beispielsweise für seinen Märchen-Unterbau verhöhnt...). Dass dies bei „Split“ nun nicht oder kaum geschieht, ist eine durchaus faszinierende Entwicklung. Möglicherweise hat der wohlwollend aufgenommene „The Visit“ den Boden für einen lockeren Umgang bereitet, möglicherweise erkennt das Publikum auch einfach nur die Umkehrung des Psychothrillers „Identität“ und passt seine Erwartungen entsprechend an.

Was dann in der Szene nach der End-Credits-Einblendung geschieht, muss man im Affekt als augenzwinkernden Gag begreifen, nicht zuletzt, weil man von (auf witzig getrimmten) Blockbustern darauf konditioniert ist, dass man noch einen letzten kleinen Gag mit auf den Weg nehmen darf. Dass die Szene einen viel größeren Impact hat, dass sie im Grunde alles in einem anderen Licht dastehen lässt, was man gerade gesehen hat, realisiert man erst später. Das wertet die ohnehin sehenswerte Geschichte mit all ihren kleinen Schlenkern und Subplots (erwähnenswert in dieser Hinsicht: Die Therapiebesuche und vor allem die Hintergrundgeschichte Caseys) noch einmal auf. Und selten begegnete man den Planungen für eine Fortsetzung mit mehr Neugier.

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