Durchschnittsware und Rohrkrepierer gehören hoffentlich der Vergangenheit an, denn Visionär Shyamalan kehrt mit „Split“ beinahe zu alter Hochform zurück. Und noch besser: Mit einigen deutlichen Bezügen zu „Unbreakable“ dürfte sich daraus irgendwann eine Trilogie ergeben.
Eben noch im Restaurant, nun im fensterlosen Verlies von Kevin (James McAvoy): Die Mädchen Claire, Marcia und Außenseiterin Casey (Anya Taylor-Joy) finden rasch heraus, dass ihr Entführer eine gespaltene Persönlichkeit ist und versuchen, diese gegeneinander auszuspielen. Doch noch ahnen sie nicht, dass aus Kevin schon bald eine weitere Persönlichkeit hervortreten wird…
Dissoziative Identitätsstörungen sind häufig auf eine üble Kindheit zurückzuführen, meistens ist Missbrauch im Spiel, woraufhin die oftmals sehr unterschiedlichen Teilpersönlichkeiten die Kontrolle über die Person übernehmen. Kevin beherbergt gar 23 verschiedene Identitäten, wovon jedoch nur einige offen zutage treten, wie ein Modedesigner, eine Frau und ein neunjähriges Kind. Das gestaltet die Erzählung natürlich spannend, da man nicht weiß, wie die jeweilige Person auf die Mädchen zugehen wird.
Im Kern geht es um verletzte Seelen, denn auch Casey musste in der Vergangenheit einiges durchmachen, wie ein paar sensibel gestaltete Rückblenden verraten. Insofern nähert sie sich ihrem Peiniger beobachtend und analysierend, während die beiden anderen eher planlos über eine Fluchtmöglichkeit nachdenken. Eine weitere erzählerische Instanz sind die Besuche Kevins bei Therapeutin Dr. Fletcher (Betty Buckley), die mit ihrem Patienten beinahe mütterlich umgeht und die These vertritt, dass betroffene Menschen deutlich mehr Potential des Gehirns nutzen als nicht Betroffene. Auf eine zynische Art soll sich das noch bewahrheiten.
McAvoy ist stark als Kevin, Miss Patricia, Dennis, Hedwig und Barry, denn jeder Identität verleiht er viel Eigenständigkeit, ihnen schwingt zuweilen etwas Zerbrechliches mit, jedoch auch diese Unberechenbarkeit. Taylor-Joy mausert sich so langsam zu einer stets wandlungsfähigen Darstellerin und überzeugt auch diesmal auf ganzer Linie. Buckley ist ebenfalls stark, womit die im Mittelteil etwas erschlaffende Handlung zumindest noch ein wenig aufgewertet wird.
Auf handwerklicher Ebene scheint das vergleichsweise geringe Budget positive Auswirkungen auf Shyamalan zu haben, denn er verzichtet auf visuellen Firlefanz, setzt auf eine effektive Kamera, die gleich zum Einstieg perfekt abgestimmte Bilder liefert und sorgt mit einer sauber abgestimmten Sounduntermalung für leichten Grusel innerhalb einer klaustrophobischen Atmosphäre.
„Split“ könnte sich auch auf die zu erwartende Trilogie beziehen, denn wandelt der Streifen überwiegend auf den Pfaden eines Psycho-Thrillers, gesellen sich zwischenzeitlich ein paar Elemente aus dem Bereich Fantasy und Mystery hinzu, untermauert durch ein Cameo mit A-ha-Effekt gegen Ende.
Bei einer Laufzeit von rund 118 Minuten sind nur minimale Längen zu verzeichnen, dafür eine Menge Spannung und Unbehagen und ein cleveres Spiel in Sachen Twist und Erwartungshaltung.
7 von 10