Shyamalan auf dem Weg zurück zu alter Klasse? Es wäre ihm zu wünschen, denn nachdem er zwischenzeitlich seinen Wunderkindstatus verloren hatte und nach seinem Paukenschlag „The Sixth Sense“ in bestimmten Kreisen früh völlig unberechtigt als Eintagsfliege bezeichnet wurde, konnte er mit dem grundsoliden Low-Budget-Horror „The Visit“ aus der Kameraperspektive zweier Kinder wieder etwas Boden gutmachen und auch an den Kinokassen überzeugen. Er ist zweifelsohne – ungefähr ab „The Happening“ – deutlich grobschlächtiger und im Ton uneinheitlicher, teilweise auch derber und geschmackloser geworden, und das zeigt sich auch in seinem neuesten Streich „Split“, wobei sich die Frage stellt, ob der Regisseur dies bewußt einkalkuliert oder über die Jahre sein feines Händchen verloren hat.
Jedenfalls befindet er sich einmal mehr auf Konfrontationskurs mit den üblichen Sehgewohnheiten und präsentiert eine Melange aus kammerspielartigem Thriller und schwarzer Komödie. James McAvoy ist sein großer Trumpf, der den Antagonisten mit den 23, vielleicht 24 verschiedenen Persönlichkeiten mit Leidenschaft verkörpert, egal ob er einen lispelnden Neunjährigen, schüchternen Außenseiter, unberechenbaren Psychopathen oder eine fürsorgliche Mutterfigur spielt. Stets hat er die Aufmerksamkeit auf seiner Seite – One-Man-Show nennt man das wohl, und erstaunlich amüsant ist sie noch dazu, zumal ihm die drei Mädchen, allen voran Casey (Anya Taylor-Joy, „The VVitch“), angemessen die Bälle zuspielen. Sie machen es nämlich ähnlich wie Mel Gibson und Joaquin Phoenix in „Signs“ im Angesicht der Alieninvasion und reagieren auf das Schauspiel, das ihr Entführer ihnen bietet, nicht selten mit rat- und fassungslos eingefrorenen (und teilweise reichlich doofen) Gesichtsausdrücken, die auch hier wieder für den einen oder anderen Lacher gut sind.
Für ein paar Hintergrundinformationen über ihren unzweifelhaft verrückten Patienten sorgt eine alternde Therapeutin (Betty Buckley, „Carrie – Des Satans jüngste Tochter“), die ihm Schritt für Schritt auf die Schliche kommt. Die alsbald verstörenden Kindheitserinnerungen der jungen Casey und ein völlig abstruser Twist, der „Split“ rabiat in anderes Genre-Fahrwasser mit einigen unerwarteten Gewaltspitzen lenkt, komplettieren die wilde Story, deren Elemente irgendwie nicht so recht zusammenpassen wollen, die aber dadurch eins mit Sicherheit nicht ist: berechenbar.
Damit ist der Film auch Punktsieger gegenüber dem Vorgänger „The Visit“, der zwar ähnlich wüst unlustige und nervige Hip-Hop-Reime eines Jungen mit holzhammerartig eingebauten sensiblen Einschüben und einem thriller- bis horrorartigen Plot kreuzte, aber im Großen und Ganzen doch die Erwartungen, die man anhand der Inhaltsangabe haben konnte, erfüllte. Hier kann man sich nun gar nicht mehr sicher sein, worauf das hinauslaufen soll. Die Kirsche auf der Torte ist dabei die allerletzte Szene unmittelbar nach der Titeleinblendung, die nicht nur manch merkwürdige Nebensächlichkeit, die man schnell wieder vergessen haben mag, rückblickend erklärt, sondern „Split“ auch nochmals eine neue Richtung gibt, die vor allem eingefleischte Shyamalan-Fans beglücken dürfte, die ein wenig mit seinem bisherigen Schaffen vertraut sind. Für alle anderen dürfte sie nur Fragezeichen übrig lassen.
Ob einem das alles gefällt oder nicht, hängt davon ab, ob man bereit ist, den von Shyamalan vorgegebenen Weg mitzugehen. Ihm scheint es schon lange kein Anliegen mehr zu sein, seinen Kritikern um jeden Preis gefallen zu wollen, sondern vorrangig seinem Publikum mit ungewöhnlichen, durchaus ins Absurde abdriftenden Geschichten etwas zu bieten. Im Fall von „Split“ ging die Rechnung sogar auf beiden Seiten auf, wie die prächtigen Einspielergebnisse und wohlwollenden Kritiken beweisen. Auch wenn der Inder noch nicht wieder zu seiner alten Stärke zurückgefunden hat – die Vorfreude auf sein nächstes Werk ist groß. 7/10.