Drei Schülerinnen warten im Auto darauf, dass sie nach einer Geburtstagsfeier von einem Vater nach Hause gefahren werden. Doch dann steigt ein Wildfremder ein, betäubt die Jugendlichen und entführt sie. Die drei erwachen in einem geschlossenen Raum und werden von ihrem Entführer, gespielt von James McAvoy, wenig später in Frauenkleidern bemuttert. Der führt außerdem Selbstgespräche und stellt sich später als neunjähriger Junge vor. Nach und nach kristallisiert sich heraus, dass er unter einer multiplen Persönlichkeitsstörung leidet und 3 seiner insgesamt 23 Identitäten die Entführung geplant und ausgeführt haben. Oder gibt es noch eine 24. Identität? Die Anzeichen verdichten sich, dass auch eine von den anderen als „Bestie“ bezeichnete Identität im Kopf des Entführers wohnt und Schreckliches mit den Mädchen im Sinn hat.
M. Night Shyamalan hatte es 1999 mit „The Sixth Sense“ geschafft, sich im Alter von nicht einmal 30 Jahren als Regisseur unsterblich zu machen, woraufhin es mit der Karriere des US-Regisseurs mit indischen Wurzeln kontinuierlich bergab ging. Auf den überzeugenden „Unbreakable“ folgten die durchaus sehenswerten Mystery-Filme „Signs“ und „The Village“ und schließlich Flops wie „Das Mädchen aus dem Wasser“, „The Happening“ und „Die Legende von Aang“. Der Tiefpunkt wurde mit dem vielgescholtenen „After Earth“ erreicht, von dem sich die Karriere des Hauptdarstellers Will Smith bis heute nicht erholt hat. Shymalan ist es mit „Split“ nun dagegen gelungen, viel verlorene Reputation wiederherzustellen.
Dabei ist „Split“, wie auch die anderen Werke Shyamalans, ein Film, auf den man sich einlassen muss. War bei „The Sixth Sense“ die Prämisse zu akzeptieren, dass die Toten weiter auf Erden wandeln oder bei „Unbreakable“ hinzunehmen, dass es einen unzerstörbaren Menschen gibt, so wird hier das Krankheitsbild der multiplen Persönlichkeitsstörung alles andere als realistisch dargestellt. Es wird vorausgesetzt, dass sich mit dem Wechsel der psychischen Identität auch die physischen Grundfesten, die gesamte Körperchemie eines Menschen ändern können. Erklärt wird dies im Film durch die von Betty Buckley verkörperten Psychologin, die diese Thesen gegenüber einer skeptischen Forschergemeinde verteidigt. So hält sie etwa daran fest, dass Blinde sehen können, wenn eine sehende Identität „ins Licht tritt“ oder dass ein Patient plötzlich Insulin benötigt, wenn die unter Diabetes leidende Identität das Ruder übernimmt. Wer mit all dem leben kann und sich auf „Split“ einlässt, wird dafür mit einem spannenden, atmosphärischen Psychothriller belohnt, wenngleich es fünf oder sechs Identitäten anstelle von 23 sicherlich auch getan hätten.
Shyamalan kommt direkt zur Sache. In den ersten Sequenzen des Films werden die drei Mädchen entführt und finden sich daraufhin eingesperrt wieder. Hintergrundinformationen zu einem der Entführungsopfer werden in kurzen Rückblenden vermittelt, die Psyche des Entführers in den eingeschobenen Therapiesitzungen vertieft - und das alles ohne, dass der Erzählfluss gestört wird. So ist diese Mischung aus Psycho- und Entführungsthriller durchweg fesselnd, was einerseits der beklemmenden Atmosphäre und den spannenden Ausbruchsversuchen der Entführten geschuldet ist und andererseits der Unberechenbarkeit des Entführers. Shyamalan beweist dabei endlich wieder sein altes Gespür für Spannung und Unvorhersehbarkeit, wenngleich sich insbesondere beim Showdown doch ein paar konventionelle Horror-Elemente in seinem Film wiederfinden. Wird „Split“ mal etwas zu abstrus, überspielt er diese Schwächen gekonnt mit schwarzem Humor, wenn etwa die neunjährige Identität des Entführers einem der Mädchen seine Tanzkünste vorführt.
Letztendlich steht und fällt „Split“ aber mit James McAvoy, der vor allem aus seiner Professor-X-Rolle aus der neuen Zeitlinie der „X-Men“ bekannt ist. McAvoy schafft es, die drei Identitäten, die er im Wesentlichen verkörpert, derart einprägsam anzulegen, dass es eigentlich keiner unterschiedlichen Bekleidungen bedarf, damit der Zuschauer versteht, mit welcher Identität er es gerade zu tun hat. McAvoy gelingt dies, ohne in Overacting zu verfallen, wobei auch die sehr gute deutsche Synchronisation ihren Anteil daran hat, dass die drei Identitäten trotz des fast identischen Äußeren klar unterscheidbar sind. Neben dem bedrohlichen Hauptdarsteller, der wirklich alles aus seiner Rolle herausholt, besteht die mit allerlei Nominierungen als beste Nachwuchsdarstellerin bedachte Anya Taylor-Joy als verschlossene und angesichts der Situation überraschend bedachte Jugendliche. Sie mausert sich im Verlauf des Films als echte Gegenspielerin des Entführers und gewinnt als einzige Nebenfigur wirklich an Profil.
Fazit:
Die Grundidee zu „Split“ mag etwas hanebüchen sein, doch letztlich ist Shyamalan hiermit sein bester Film seit „Unbreakable“ und „The Sixth Sense“ gelungen. „Split“ ist ein atmosphärischer Psycho- bzw. Entführungsthriller, der schnell zur Sache kommt und vor allem dank der großartigen Vorstellung von James McAvoy in der Rolle des unberechenbaren Psychopathen fesselt.
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