Review

Staffel 1

Zum zweiten Mal nach „JCVD“ versucht sich Jean-Claude Van Damme also an einer ironischen Selbstdemontage. „Jean-Claude Van Johnson“ mixt Biografisches mit Mythen, Film- und Fun Facts zu einer kruden Mischung, die vor allem Hardcore-Fans ansprechen dürfte. Nur diese werden jedenfalls sämtliche Anspielungen auf Ereignisse vor und hinter der Kamera zusammentragen können, die vom Zufall gesteuert wie Easter Eggs über die gesamte Handlung der Mini-Staffel verteilt sind.

Wenn man also in „Jean-Claude Van Johnson“ eine Agenten-Action-SciFi-Realsatire mit Trash-Affinitäten erkennt, dann sieht man letztlich ein gerafftes Konzentrat der VHS-Gülle, mit der Van Damme seine Anhänger in den 90ern beglückte. Wo Schwarzenegger und Stallone ihre Oneliner hatten, da funktionierte unser Actionheld aus der zweiten Reihe eher über ikonische Momente – seinen ersten Spagat, seinen härtesten Palmen-Kick, seine peinlichste Tanzeinlage.

Der Undercover-Plot, den die Amazon-Produktion ihre Grundlage schimpft, fungiert lediglich als Sammelbecken für die Wiederaufnahme solcher Momente zum Zwecke des genüsslichen Auseinanderpflückens, was vom Belgier höchstpersönlich mit teilweise hysterischer Selbstüberzeichnung erledigt wird. Insbesondere Van Dammes Auftritt als sein eigener Doppelgänger schlägt beim Comedy-Faktor sozusagen mit „Double Impact“ zu Buche; mit dieser völlig neben die Spur geratenen Darbietung könnte er sich auch als verwirrter Jedi-Altmeister im Exil für „Star Wars“ bewerben. Ein Auge hatte man nicht zuletzt für den in vielen Filmen zur Schau gestellten Fetisch für extravagante Kleidung und Frisuren, die schon für so manche Entstellung der jeweiligen Actionhelden gesorgt haben, die Trends setzen sollten und für ihren schlechten Geschmack stattdessen kultische Verehrung ernteten.

Schubweise kommen alle Zutaten der eigentlich hoffnungslos überladenen Serie so punktgenau zusammen, dass die komischen, manchmal auch tragikomischen Pointen mit ausbalanciertem Timing ideal über die Ziellinie gehen. In diesen Momenten ist „Jean-Claude Van Johnson“ überraschend witzig, balanciert primitive Slapstickeinlagen geschickt gegen reflektierte Selbstanalyse aus. Was Van Damme für das Action-Genre und für sich selbst leistet, erinnert in der Herangehensweise oft an das, was Bruce Campbell für das Horror-Genre mit der „Ash vs Evil Dead“-Serie vorgelegt hat, zumal sich der Werdegang beider Darsteller durch ihren jeweiligen Genre-Status und nicht zuletzt durch die Parallelen zwischen „JCVD“ und „My Name Is Bruce“ ähnelt. Darüber hinaus erinnert Moises Arias als Van Dammes Sidekick auch noch frappierend an Ray Santiago, der Campbell in „Ash vs Evil Dead“ zur Seite stand; und wenn man unbedingt will, kann man sogar Kat Foster mit Dana De Lorenzo vergleichen.

Nachdem zunächst im Rahmen des Amazon-Pilotprogramms nur eine Folge in Auftrag gegeben wurde, stellt sich allerdings das Drehbuch im Anschluss daran als notdürftig zusammengeflicktes Stückwerk heraus. Die Gesamtlaufzeit der ersten Staffel übersteigt kaum jene eines längeren Spielfilms und hätte trotzdem nicht länger ausfallen dürfen; ein Standard-Format von zehn bis dreizehn Episoden hätte man mit diesem Schreibstil jedenfalls nicht füllen können, ohne endgültig den Faden zu verlieren. Phylicia Rashad (“Creed – Rock’s Legacy“), ihrerseits selbst ein Relikt der 80er/90er und daher eigentlich gar nicht so falsch gecastet, erscheint als Stellvertreterin der „ernsteren“ Handlungselemente (für die Momente, wenn Van Damme von den wesentlich erwachsener wirkenden Damen in seinem Umfeld aus der Spielecke gezogen wird, um sich mal wieder nützlich zu machen) relativ isoliert von den Dingen, die an der Serie wirklich Spaß machen… beinahe wie der mahnende Finger, der daran erinnert, dass es mal wieder Zeit wird, alte Agentenfilmklischees zu pflegen (ohne sie dabei aber ebenso herzhaft zu zerpflücken wie die eigene Vita). Durch den schwankenden Tonfall der Serie wirkt dann auch wieder manche Comedy-Einlage verkrampft. Van Damme ist zwar absolut mit der richtigen Einstellung bei der Sache, wird von Peter Atencio („Keanu“) aber nicht immer ganz glücklich inszeniert, so dass es am Ende zum Glücksspiel wird, ob ein Gag ins Schwarze trifft oder nicht.

Es handelt sich eben um ein durchweg ambivalentes Konzept, das seinem Protagonisten einerseits die Krücken unter dem Boden wegzieht und ihn andererseits mit einem Daunenbett auffängt; das seine Altersschwächen betont und sie meist umständlich in neue Stärken ummünzt. Die Ironie beginnt schon dabei, dass es ausgerechnet einer der führenden Streaming-Anbieter ist, der hier Magnetbänder von Videokassetten um Fäuste wickeln lässt und alte Helden einen letzten Punch setzen lassen will, ohne aber die Vorzüge moderner Filmproduktion aufgeben zu wollen. Da wird eine Biografie aufbereitet für ein breites Publikum, das vermutlich oft nur erahnen kann, wo die Pointen ihren Ursprung haben.

Was Van-Damme-Unkundige von dem Nonsens halten mögen, will man sich eigentlich auch gar nicht vorstellen. Wer die Filmografie des Belgiers aber kennt wie seine Westentasche, erfreut sich immerhin über zahlreiche Anspielungen (was alleine in der finalen Traumsequenz aufgefahren wird…) und einen prinzipiell gelungenen Ansatz, der wesentlich frischer daherkommt als schnöde Memoiren. Was die chaotische Umsetzung angeht, kann man aber geteilter Meinung sein. Und bei der letzten Szene kann es in Staffel 2 nur NOCH chaotischer werden…

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