Mit einem Blick in die Zukunft hält man sich zurück, dafür ist der in die Vergangenheit mindestens genauso wichtig wie die Bebilderung der Gegenwart; diesen Eindruck erlangt man unvermeidlich, wenn man sich die Auflistung der jeweiligen Jahreshitlisten in der Gunst des koreanischen Publikums und auch das Marketing der Studios ansieht. Oftmals die Rückkehr in turbulente, auch teils undurchdringlich scheinende Zeiten, in denen der Kampf Gut gegen Böse allerdings mit einem positiven Ergebnis am Ende ausgetragen wurde und der Ausgang selber so willkommenes Geschenk für die Unterhaltung, den Eskapismus und die Emotionalität des Publikums ist.
The Age of Shadows, der ursprünglich als Secret Agent angekündigt und geschrieben wurde, folgt dabei rein äußerlich, thematisch, finanziell (nicht ganz so) erfolgreich dem ebenso international laufenden The Assassination [ 2015 ], wobei der dortige Film opulenter, lautmalerischer und sein Regisseur Choi Dong-hoon mittlerweile fast stärker im Bewusstsein des zeitgenössischen Klientels hervorgehoben ist. Der hiesige Filmemacher Kim Jee-won allerdings von seiner Reputation der vergangenen Jahre zehrt und allein die Tatsache der Rückkehr zum sowohl heimischen Kino (nach dem US-Debüt The Last Stand, 2013) als auch dem Langfilm (nach dem Kurzfilm X und dem Segment „The Heavenly Creature“ für Doomsday Book) eine bemerkenswerte Tatsache, zusätzlich noch geadelt natürlich durch eine bis dato tadellose Filmographie, die vor allem auch im westlichen Auge signifikant und nachhaltig ist. A Tale of Two Sisters! A Bittersweet Life! The Good, the Bad, the Weird! I Saw the Devil! Ein gleiches Ausrufezeichen und die Beachtung wird hiermit nicht erlangt werden, dazu ist das Werk zu unspektakulär sowohl in seinen Aussagen als auch der Inszenierung, die allerdings erwartbar tadellos ist und (nicht nur) eine fulminante Spannungssequenz innerhalb eines vollbesetzten fahrenden Zuges mit Geheim-, mit Doppelagenten, der Militärpolizei und einem unvermeidlichen Zusammentreffen aller Beteiligten im Speisewagen besitzt. Ein kurzer Gewaltausbruch, der nur für Sekunden auch Erlösung und Ruhe bringt, und in ein langes Massaker im anschließenden nur scheinbar rettenden Hafen, in der Bahnhofsvorhalle kulminiert:
Durch einen heimtückischen Verrat gerät Kim Jang-ok [ Park Hee-soon ], das ranghohe Mitglied der Heroic Corps, einer im Geheimen tätigen Widerstandsgruppe gegen das Japanische Regime in die Falle dessen Truppen und erschiesst sich in aussichtsloser Lage selber. Sehr zum Leidwesen des die Aktion leitenden Captain Lee Jeong-chool [ Song Kang-ho ], der als früherer ehemaliger Dolmetscher mit dem Untergrundkämpfer bekannt bis befreundet war und lieber eine Gefangennahme lebend erreicht hätte. Lee bekommt von seinem Vorgesetzten Higashi [ Tsurumi Shingo ] dafür sofort den neuen Auftrag, den ebenfalls in Verdacht der Konspiration geratenen Kim Woo-jin [ Gong Yoo ], einen Fotografen und Kunsthändler zu beobachten und Kontakt aufzunehmen, um darüber den Führer der Heroic Corps, Jeong Chae-san [ Lee Byung-hun ] zu stellen. Da die Gegenpartei das Vorhaben allerdings mitbekommt und gleichzeitig ihrer Fühler nach dem politisch unsicheren Lee ausstreckt, kommt dieser in eigene Schwierigkeiten, die vor allem seinen neuen Mitarbeiter Hashimoto [ Eom Tae-goo ] brennend interessieren.
Das Land im Trubel und der allgemeinen Paranoia, in dem Keiner dem Anderen traut und vielerlei Leute des Überlebens willens einfach nach dem Wind und der passenden Gelegenheit der Anpassung richten. Schüsse aus dem Dunkeln, aus dem Hinterhalt, blitzschnell ohne Vorwarnung, dazu eine ständige Bedrohung, in der Misstrauen und Verrat mit an der Tagesordnung und darüber hinaus sowieso ständige Schikanen der Obrigkeit geradezu zu erwarten sind. Die Aussichten sind düster, die Bilder stets im gedämpfte Braun, in der die teils edle Ausstattung nicht darüber hinweg täuschen kann, dass die betrachtete Menschheit hier immer nur kurz Freude und Hoffnung im Leben zu spüren imstande ist und sich sonst entweder wegduckt oder Allem Schwierigen aus dem Wege gehen ist.
Ein Verrat eröffnet den Film, der eine großformatige Verfolgungsjagd als nächstes gleich in den Raum stellt; eine Hetze, in dem der Fliehende trotz aller Mittel und Versuche deswegen gar keine Chance zum Entkommen hat, weil viele Jäger nun mal des Hasen Tod sind. Hundertschaften von Polizisten preschen durch die Straßen, über die Dächer der Häuser hinweg und treiben den Gesuchten unweigerlich in die Enge, weil es Ihrerseits zu viele und irgendwann keinen Ausweg aus der Umklammerung mehr gibt. Eine ähnliche Pattsitution stellt der Film mittig in Aussicht, als in einem Reisezug mehrere Explosiva von Shanghai nach Gyeongseong transportiert werden sollen, die gegnerische Partei durch einen zwielichtigen Mitwisser aber eng auf den Fersen der Revolutionäre ist und man sich trotz Ausweichens und Herumwanderns in den Waggons unweigerlich in der Mitte ohne Chance auf weiteres Entkommen trifft.
Details der Dekoration kommen hier erstmals zum Vorschein, in den unterschiedlichen Klassen der Wagen, die von der einfachen bis armen Bevölkerung und entsprechend vollgestopften Sitzen bis zu den Bewegungsfreiheit und Komfort bietenden Luxusabteilen reicht und so erstmals auch was für das Auge bietet; eine Nebensächlichkeit, die zuvor den darstellerischen Leistungen und der formalen Spannungsdramaturgie Platz macht und zeigt, dass das konkrete Zeit- und Lokalkolorit für die Geschichte selber egal, quasi frei nach Fakten, Mythen und Fiktion, im Grunde zufällig ist und nicht der speziellen Rede wert ist. Eine Erzählung von der Entscheidung, die man im Leben treffen muss, ob man sich untergliedert oder dem Kampf gegen die Widrigkeiten, notfalls auch mit dem Risiko des eigenen Lebens stellt. Dabei ist die konkrete Position, egal auf welcher Seite sichtlich die Einfachste, kommt eigentlich nur der zwischen allen Stühlen sitzende und sich bisher das Leben nach der jeweiligen Order ausrichtende Captain Lee von allen Beteiligten einzig und dann auch so richtig ins Schwitzen, spielt er doch lange für beide Seiten und muss sich permanent fürchten, mehrfach der eigenen kostbaren Haut willens lügen und permanent den Ängsten der Entdeckung und des prompt drohenden Todes stellen.