Asa Butterfield spielt einen bei Mädchen wie Mitschülern weniger gelittenen, amerikanischen Teenager, der mit seinem Großvater seine einzige echte Bezugsperson verliert. Der hatte ihm früher immer von einem Waisenhaus in Wales erzählt, in dem besondere Kinder leben, ein Mädchen leichter als Luft, ein unsichtbarer Junge, eine Frau, die sich in einen Vogel verwandeln kann. Nachdem der im Sterben liegende Greis seinen Enkel gebeten hat, das Waisenhaus aufzusuchen, macht sich dieser gemeinsam mit seinem Vater auf den Weg nach Übersee. Das Waisenhaus, im zweiten Weltkrieg von einer deutschen Bombe getroffen, ist jedoch nur noch eine Ruine - zumindest auf den ersten Blick. Denn plötzlich landet der junge Besucher in einer Zeitschleife im Jahr 1943 inmitten der besonderen Kinder. Er ahnt noch gar nicht, dass er diese bald vor einer gewaltigen Bedrohung beschützen muss.
Ransom Riggs Roman „Miss Peregrine`s Home for Peculiar Children“, ein Jugendbuchbestseller, lässt sich wohl am besten als fantasievolle Mischung aus Harry Potter und X-Men mit einem Hauch von Horror beschreiben. Mit ihren schrulligen Figuren, den zahllosen Fantasy-Elementen, den verschiedenen Zeitebenen, aber auch emotionalen Komponenten war die Romanvorlage ähnlich wie „Alice im Wunderland“ wie gemacht für einen Regisseur wie Tim Burton, der sich wie kaum ein anderer auf Skurriles versteht, der sich mit Filmen wie „Edward mit den Scherenhänden“, „Sweeney Todd“ oder „Charlie und die Schokoladenfabrik“ gleichermaßen den Ruf des einfallsreichen Visionärs wie des kauzigen Krauskopfes erarbeiten konnte. Ihm ist in diesem Fall ein durchaus netter Film gelungen, der aber Weitem nicht an seine besten Arbeiten wie „Big Fish“ oder „Ed Wood“ heranreicht.
Wie viele andere Burton-Filme ist auch „Die Insel der besonderen Kinder“ eine permanente Gratwanderung zwischen wundervollem Einfallsreichtum und bizarren Fantastereien, zwischen interessanten Entdeckungen und überfrachteter Spinnerei, zwischen einer emotionalen Coming-of-Age-Stoy eines jugendlichen Außenseiters und überdrehter Hysterie. Burton entführt nach einer irgendwie genretypischen und etwas schwergängigen Einführung in eine interessante Welt, verborgen in einer Zeitschleife, in der die besonderen Kinder leben. Deren Besonderheiten sind es dann auch, die für Überraschungen, Faszination und Kurzweil sorgen. Burton enthüllt immer mehr von dieser skurrilen Welt, über die Figuren, über das Prinzip der Zeitschleifen und schließlich über das Böse, welches den besonderen Kindern nach ihrem Leben trachtet. Das entfaltet dann zwar einen gewissen erzählerischen Sog, sorgt aber auch für das eine oder andere Kopfschütteln, weil Burton seinen Film stellenweise brutal überfrachtet. Außerdem gelingt es ihm nicht wirklich, die aufgesetzt wirkende Lovestory synthetisch in seine Handlung zu integrieren. Dafür ist aber zumindest die Entwicklung seines Protagonisten vom schüchternen Außenseiter zum mutigen Beschützer plausibel erzählt. Freud und Leid liegen hier eben dicht beieinander, so auch bei den übrigen Figuren: Gewinnen die strenge aber liebevolle Mrs. Peregrine und ihre Kinder durchaus an Profil, bleiben die Bösewichte eher klischeebelastete Standart-Schurken, weshalb insbesondere die Auftritte von Samuel L. Jackson enttäuschen.
Handwerklich lassen sich bei „Die Insel der besonderen Kinder“ weit weniger Schnitzer ausmachen. Die Kameraarbeit des mehrfach Oscar-nominierten Bruno Delbonnel kann sich sehen lassen, die von ihm eingefangenen Bilder sind opulent und fantasievoll, was auch den perfekten Computertricks, der detailversessenen Ausstattung, den passenden Schauplätzen, Kostümen und der guten Maske geschuldet ist. Im Kontrast zu den warmen Farben und freundlichen Figuren im Erziehungsheim stehen die durchaus beängstigenden Monster und die Bösewichte, welche Burton zum Anlass nimmt, auch mal etwas düstere und atmosphärische Momente zu kreieren. An anderen Stellen setzt Burton dagegen auf sympathischen Witz, sodass ihm insgesamt eine unterhaltsame Mischung aus nettem Fantasyfilm und spannender Gruselgeschichte gelungen ist. Beim Showdown zeigt er zudem, dass man mit einfallsreichen Action-Szenen auch in heutigen Zeiten noch aus der Masse an Computerbombast hervorstechen kann, wenngleich das große Finale sicherlich auch etwas zu unübersichtlich geworden ist. Darstellerisch wird überwiegend Solides gezeigt, etwa vom unscheinbaren, schlacksigen Asa Butterfield, der eine nachvollziehbare aber doch etwas zu uncharismatische Besetzung der Hauptrolle ist. Dafür lässt er der omnipräsenten und großartig aufspielenden Eva Green in der Rolle der Mrs. Peregrine jedoch mehr Raum, welchen diese perfekt auszufüllen vermag. Insofern könnte man auch von einem harmonierenden Duo und einem überzeugenden restlichen Cast sprechen.
Fazit:
„Die Insel der besonderen Kinder“ ist ein Tim Burton-Film, wie er im Buche steht: Visuell ein Vergnügen, sympathisch, einfallsreich und etwas gruselig umgesetzt, erzählt der Film nach Romanvorlage eine fantasievolle Geschichte über einen jugendlichen Außenseiter, der schließlich über sich hinauswachsen muss, um die besonderen Kinder zu beschützen. Leider ist das Ganze stellenweise heillos überfrachtet und etwas zu unübersichtlich. Außerdem setzt der sonst so innovative Filmemacher bei der Konstruktion der Bösewichte allzu sehr auf Klischee statt auf Idee.
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