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Außerirdische, die in ihren riesigen Raumschiffen auf die Erde kommen? Das hatten wir doch schon hundertfach. Das Interesse an dem Fremden aus einer fernen Galaxie ist allerdings auch nach über 120 Jahren Filmgeschichte ungebrochen und lockt Millionen von Zuschauern weltweit in die Kinos – und wenn die richtigen Regisseure hinter der Kamera stehen, interessieren diese Geschichten sogar mich, obwohl ich bei Science-fiction-Thematiken grundsätzlich nicht sofort begeistert auf der Matte stehe.

Denis Villeneuve hatte mit seiner bisherigen Vita einen Vertrauensvorschuß aufgebaut, der durchaus berechtigte, Hoffnung auf einen neuen Ansatz der auf den ersten Blick reichlich ausgelutscht klingenden Story zu haben. Tatsächlich ist "Arrival" das genaue Gegenstück zu den emmerichschen "Independence Day"-Blockbustern geworden, für die hirnloser Krawall bei zweifelsohne gleichzeitiger Unterhaltung als oberste Maxime gilt. Villeneuve wählt einen anderen Ansatz und setzt auf leise Töne, ohne dabei auf staunen machende Schauwerte zu verzichten, die sich aber vollständig der Denkfleisch anregenden Geschichte unterordnen.

Im Zentrum des Geschehens steht die Frage nach dem Grund für den Besuch der fremden Wesen, die sich an zwölf Punkten auf der Erde verteilen. Sie könnten sowohl freundlich gesonnen als auch kriegerisch veranlagt sein und verunsichern die Erdbewohner, gerade weil sie nichts tun und in stoischer Ruhe eine Kommunikation mit den Menschen aufzubauen versuchen. Zu dem Zweck werden Linguisten alle paar Stunden in die Raumschiffe gelassen, die ihre Sprache dechiffrieren sollen, und das so schnell wie möglich, damit man nicht am Ende noch zu Kampfhandlungen gezwungen ist. Einer dieser Linguisten ist Louise Banks (oscarreif, aber leider nicht mal nominiert: Amy Adams), die in der Vergangenheit bereits mit der US-Regierung zusammengearbeitet und Übersetzungen geliefert hat, weshalb sie vom Militär angeheuert wird, bei der Mission zu helfen.

Louise ist eine nachdenkliche, in sich gekehrte und sehr traurig erscheinende Frau, vermutlich gezeichnet durch den frühen Tod ihrer Tochter Hannah, die an einer seltenen Krankheit stirbt, wie wir bereits in der Einleitung im Zeitraffer erfahren. Der Film gibt sie uns als Hauptfigur an die Hand, aus deren Sicht wir das Szenario ausschließlich erleben: die abrupte Freistellung der Dozenten und Studenten aufgrund der Ausnahmesituation, die ersten Berichte über die rätselhaften Besucher im Fernsehen, den ersten Gang ins Raumschiff bis hin zu den schrittweisen Fortschritten in den "Gesprächen" mit den Wesen, zunehmend unterbrochen durch bruchstückhafte Erinnerungen an die Tochter. Folglich entsteht eine intime Nähe zu Louise als Dreh- und Angelpunkt, die dabei hilft, den inhaltlich trocken klingenden Kontaktaufnahmen, die Louise und ihren Kollegen Ian (Jeremy Renner), einen Physiker, immer näher an die Wahrheit heranbringen, einen inhaltlichen Unterbau zu verleihen. Möglicherweise habe ich als jemand, der selbst Sprachwissenschaft studiert hat, einen Heimvorteil, aber für mich ist das allmähliche Erlernen der Sprache spannender als so mancher Thriller.

Dabei geizt "Arrival" wie gesagt nicht mit beeindruckenden Tricks und teils schwindelerregender Kameraarbeit, angefangen von den Luftaufnahmen über die schräg am Horizont stehenden Raumschiffe und besonders intensiv fortgeführt beim Erstkontakt, bei dem Louises bevorstehende Ohnmacht wegen der überwältigenden Eindrücke, die einem Kulturschock gleichkommen, fast eins zu eins auf den Zuschauer übertragen wird. Eindrucksvoll auch das Design der sogenannten riesenhaften Heptapoden, Siebenfüßler, die hinter einer Trennscheibe stets im Nebel versteckt bleiben und nie ganz zu sehen sind. Dadurch, daß sie nicht wirklich gezeigt werden, werden Zuschauerphantasien angeregt, was wunderbar zu der gesamten Machart des Films paßt, den man nicht bloß schaut, sondern regelrecht mitfühlt.

"Arrival" stimuliert die Sinne, und genau das ist die Quintessenz, die ein Science-fiction-Film für mich haben sollte. Gäbe es Louise, ihre Sensibilität und ihren persönlichen Schicksalsschlag als emotionalen Anker nicht, würde er nicht so funktionieren, wie er es tut, eine gewisse Distanz zum Geschehen aufbauen, anstatt den Zugang zu vertiefen. Ähnlich wie sich Louise erst in das Szenario hineinarbeiten muß, müssen auch wir uns durch ihre Unnahbarkeit und den generell kühlen Look in dominierendem Blauton kämpfen, bis der Schlüssel gefunden ist. Während wir immer weiter in Louises Charakter eintauchen, kommt auch sie dem Schlüssel zur Kommunikation mit den Wesen, die sie und Ian spaßeshalber Abbott und Costello nennen, immer näher – und wird am Ende ebenso wie wir mit einem Aha-Effekt belohnt, der in den letzten Minuten den Bogen zurück zum unmittelbaren Anfang schlägt, welcher somit neu eingeordnet werden kann, wie so vieles, mit dem wir zuvor konfrontiert wurden. Hier setzt Villeneuve abschließend auf sehr viel Sentimentalität und Rührseligkeit und unterstreicht diese noch durch Max Richters hochemotionales "On the Nature of Daylight", ein Stück, das in der Vergangenheit auch schon etwa von Scorsese in "Shutter Island" verwendet wurde. Was für die einen zu viel des Guten sein mag, zumal denjenigen aus dem Publikum, denen womöglich noch ein großes Fragezeichen im Gesicht geschrieben steht, zahlreiche Verständnisbrücken gebaut werden, die in der Ausführlichkeit eigentlich gar nicht nötig gewesen wären, dürfte wiederum die anderen zutiefst berührt zurücklassen. Ich jedenfalls habe mir die dick ausgeschütteten Emotionen sehr gefallen lassen.

Bei allem Bemühen, die Zuschauer an die Hand zu nehmen, wird erfreulicherweise dennoch rückblickend nicht alles haarklein ausbuchstabiert, so daß noch genügend Gehirnschmalz im Nachhinein aufgewendet werden darf, um Zusammenhänge herzustellen und etwaige Storylücken zu schließen. Das mag in Gänze vielleicht nicht gelingen, doch "Arrival" erweckt trotz allem den Anschein des gut Durchdachten und liefert überdies zahlreiche interessante Interpretationsansätze, über die nachzudenken es sich vollauf lohnt.

Zu alldem kommt dieses Werk auch noch zu einem Zeitpunkt heraus, in dem das politische Gleichgewicht in den Vereinigten Staaten und Europa gewaltig durcheinander geraten ist, und plädiert für eine bessere Kommunikation untereinander, ein eigentlich immer aktuelles Anliegen, das derzeit jedoch wichtiger denn je erscheint. Eine zutiefst humane und sympathische "Make Peace, Not War"-Botschaft, gegen die eigentlich niemand etwas haben kann.

"Arrival" ist letzten Endes exakt der Science-fiction-Film geworden, auf den ich so lange gewartet habe und den Villeneuve und sein Team anscheinend extra für mich gedreht haben. Intelligentes Kino zum Staunen, zum Nachdenken und zum Fühlen. Einfach Weltklasse. 10/10.

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