Review

Ein Mann sitzt zugemummelt und so für den Zuschauer unkenntlich gemacht ganz alleine an einem Café. Es regnet wie verrückt. Eigentlich wollte man Ferien machen, dem grauen Alltrag entfliehen. Aber das Wetter hats vermasselt; kein Wunder, befindet man sich doch in Bad Regensturz An der Traufe.
„Ach, ins Kino“ fällt es ihm stellvertretend für die durchnässten Massen ein.
„Was gibts denn heute ?“
Und wenn der ganze Schnee verbrennt [ Alternativtitel ].
„Aha. Und wer spielt mit ? Und wo fängt der Film an ? Ah, in London.“

Zumindest ein Foto mit dem Tower soll vorgauckeln, dass man in London anfängt, aber Bewandtnis hat derlei sowieso nicht. Anfangen tut es nämlich mit einem Lied: Privatdetektiv Charly Biff [ Chris Howland ] singt "Ich teste ihre Küsse", die Sekretärin Ingrid begleitet ihren Mitarbeiter rhythmisch auf der Schreibmaschine.
Und man befindet sich nicht in der englischen Hauptstadt, sondern in einem deutschen Schlagerfilm. In einem der Dutzenden zu der Zeit, immerhin macht man damals rund ein Viertel der gesamten deutschen Produktion aus; hatte man als Produzent und Konsument genug zu tun.
Sind hierbei auch einige Grössen anwesend, so konnte doch kein weitergehender Ruf erlangt werden; in den Jahren 1962/63/64 versammelte Peter Alexander mit Das süße Leben des Grafen Bobby, Und sowas muß um acht ins Bett, Charley's Tante etc immer noch jede Aufmerksamkeit um sich und zog fast komplett die Blicke von Konkurrenzprodukten ab. Ausserdem handelt es sich hierbei wirklich nur um ein schnelles und auch schnell langweiliges Routinewerk des Wirtschaftswunderkinos, das sehr wenig Wert auf Gesang, Handlung, Schauspiel und Geographie legt und den Zuschauer auch nur für ganz kurze Zeit den Alltag versonnen will.

Dabei verbindet man die üblichen Episoden um Liebe und Glück mit gleich zwei anderen Subgenres: Dem Tourismus - Film und dem Krimi.
Charly und Sekretärin Ingrid werden nämlich unter fadenscheinigen Vorwänden auf eine zweiwöchige Kreuzfahrt aufs Adriatische Meer geschickt, wo sie auf einem kleinen Ausflugsdampfer auf Rauschgift- und Falschgeldhändler stossen und denen das Handwerk legen. Irgendwann und nebenbei.
Der Ausruf „Und wenn der ganze Schnee verbrennt“ - der eigentlich aus dem sozialen Drama „Die Weber“ [ 1892 ] von Gerhard Hauptmann stammt und mittlerweile fest im Volksmund verankert war - bezieht sich deswegen sowohl auf die Umschreibung, dass man fest zu etwas entschlossen ist, als auch den Schnee als Tarnname für Rauschgift.

Es geht also aus der ungemütlichen Heimat hinaus in die weite Welt; zumindest mit Italien und Jugoslawien in die Regionen, die man sich als Pauschalurlauber leisten kann. Das Milieu wird milde mit einer Verbrechensgeschichte umgeben, um die Geschehnisse auf einer zweiten Ebene als dem Herz anzureichern. Ist im günstigen Fahrpreis enthalten.
Edgar Wallace ist das trotzdem nicht, was hier passiert, noch nicht einmal Jerry Cotton; sondern rein harmlos in Richtung der erfolgreichen Kriminaltango [ 1960, auch mit Peter Alexander ], Freddy und die Melodie der Nacht [ 1960 ] und Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett [ 1962 ] schiessend. Immer die Peilung auf massentauglichen Konsens gelenkt verwässert man die eigentlich ganz brauchbare Ausgangsidee in ein zutiefst unschädliches Lustspiel, in dem die bösen Buben so gefahrlos wie möglich gestaltet sind und das Augenmerk eher auf Verwicklungen, Versteckspielchen und natürlich den damit verbundenen Gags liegt.

Die nötige figurelle Konstellation auf der umkonfigurierten Schaubühne des Dampfers ist schnell gefunden und auch fix zur Genüge vorgestellt; vor allem nimmt man auch derartig viele Figuren an Bord, das man dann auch auf hoher See genug zu tun hat und kein Mangel an Scherzchen besteht. Einige Leute sind zwar immer dabei, haben aber so gar keine Funktion und fallen deswegen aus dem Raster; beim Einchecken auf den Minikreuzer wird dennoch offenkundig das Verhältnis Hälfte Männer / Hälfte Frauen, Hälfte Ältere / Hälfte Jüngere und auch Hälfte Hübsche / Hälfte eher nicht beachtet und auch gleich die möglichen Paarungen angedeudet.
Vor allem Chemiestudent Rolf [ Rex Gildo ] kommt bereits in der ersten Einstellung in Frage für die Hauptrolle, ist er doch weit und breit der Schmuckste im Cast und wartet dazu noch mit grossen Gesangstalent auf. Verguckt hat er sich in die medizinisch – technische Assistentin Heidi [ Gitta Winter ]; allerdings hat sein Freund Ronny [ Gunnar Möller ] auch ein Auge auf die blonde Schönheit geworfen.
Ronny steigt aber sowieso jedem nach, was einen Rock trägt; Rolf wartet auf die Richtige. Ist aber zu faul zum selber suchen, man muss schon ihn finden.
Heidi interessiert sich weder für den Bigamisten noch den Monogamen; der eine ist ihr zu aufdringlich und der andere zu gemütlich. Frauen. Da ist ihr der galante, aber durchaus forsche Verbrecherkönig Nelken-Frank Rocco [ Michael Cramer ] lieber; der ist altersschlau genug zu wissen, was das andere Geschlecht verlangt: Geld. Dafür gibt er auch seiner Freundin den Laufpass, die wiederum mit Ronny anbandelt. Zwischendurch versucht es eine weitere Passagierin an Rolf und die neue Köchin will den bärbeissigen Kapitän [ „Ich lass mir aus meiner Mannschaft keine Frauenschaft machen“ ] weichklopfen.

Natürlich ist am Ende alles im Lot und mehrere Paarungen im Hafen der Liebe gelandet, bis dahin kann man sich entweder ausmalen wer wann kriegt oder sich an den Witzen bzw. der Kriminalgeschichte erfreuen. Irgendwie ist das nämlich das Gleiche: Abgesehen davon, dass Howland in der Regel durch Tarnungen für beides zuständig ist, ist das Eine auch nur die Vorlage für das Andere. Sein Charly sucht als Taucher unter dem Boot nach dem Rauschgift und lässt sich dabei angeln, folgt in einer Ritterrüstung den Fälschern und rennt bei Entdeckung in einem Frauenkostüm davon; ist sich also für Nichts zu schade. Überraschungsmomente dabei oder welche der Spannung und dergleichen hat man sich für richtige Fabrikationen aufbewahrt; Regisseur und Autor Helmuth M. Backhaus ist keiner, der die Sprache von Tempo und Rasanz in der Filmkunst verankerte. Nach der Hälfte der 80min ist jeglicher Schwung vorbei; bis zum Finale schunkelt man sich langsam und entspannt auf dem blauen Meer der Sonne entgegen, wechselt heimlich oder offen die Kabinen, flirtet etwas, tanzt den Twist und trällert von Freude oder Leid.
Die dargebotenen Lieder – nur vier an der Zahl; je nach Ansicht noch zuviel oder zuwenig - sind sehr selten direkt in das so schon ungeheuer dünne Handlungsgerüst integriert und stellen überhaupt keine dramaturgischen Wendungspunkte dar. Einzig “Heidi” und der Titeltrack “Zwei blaue Vergissmeinnicht” nehmen gar Bezug auf die anwesenden Personen und fügen sich in die Narrationslogik ein.

Zum Showdown wirds nicht aufregender, aber einmal amüsanter. Eigentlich könnte der Reigen schon lange ausgestanden sein, es wurden sogar einige wahre Worte und Bezug auf Gefühle und ihr Erwiderung gesprochen; aber dann rutscht bad guy Nelken-Frank noch die Pistole aus der Hose und Rolf bekommt es mit. Anschliessend folgt ein Duell Kanone gegen Fotoapparat, eine sehr graziös – steife Rangelei unter Deck sowie eine im Kontext ausschweifende Grobprügelei ausserhalb der retrodesignten Kajüte; nur unterbrochen von dem informierten Polizeiaufgebot. Etwas spät für Action und auch fehl am Platze, und hiernach hat man es auch tatsächlich geschafft.
“Oh, kommt noch was ?”
Nein. Es langt.

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