Etwas über zwei Dekaden hat es doch gedauert, sich der seit Anfang der Neunziger veröffentlichten Romane um Agatha Raisin anzunehmen; eine in kontinuierlichen Abständen geschriebene Kriminalsaga um die Abenteuer einer aus ihrem bisherigen Beruf und dem Stadtleben aussteigenden Mittfünfzigern, gespielt von Ashley Jensen, die sich auf das Land an einen Kindheitsort zurückzieht. Und dort vermeintlich auch die Liebe ihres Lebens, den Militär A.D. James Lacey, gespielt von Jamie Glover, und vor allem viele Merkwürdigkeiten und auch Mordfälle vorfindet. Anfangs wird sie eher unfreiwillig in das Geschehen katapultiert, als vermeintliche Täterin und so zur Verteidigung ihrer selbst – was aufgrund ihrer gewöhnungsbedürftig schroffen Art übrigens öfters passiert –, und bald findet sie auch Vergnügen an der Aufregung und eine Befriedigung ihrer natürlichen Neugier.
Agatha Raisin ist damit bereits die zweite Erfindung der unter dem Pseudonym “M.C. Beaton“ agierenden Autorin Marion Chesney, die zuvor bereits den walisischen Dorfpolizisten Hamish Macbeath an die Leserschaft und auch in das Fernsehen, dort 1995 - 1997 verfilmt mit Robert Carlyle gebracht hat. Nun die Fortführung, diesmal nach dem Start mit einem Versuchsballon, mit Agatha Raisin: Und der tote Richter (2014), der als Adaption des ersten gleichnamigen Romans und so als wie Pilotfilm, dort ein Neunzigminüter auch fungiert. Dort selber wurde das Buch inhaltlich auch durchaus noch getroffen, von den groben Zügen der Handlung her, aber bereits die Figuren so richtig nicht und natürlich auch einiges so hinzugerechnet und dies auch eher, als was anderes vielleicht gekürzt. Als Verfilmung dabei ein zweischneidiges Schwert, schon der Vorlage verpflichtet, aber sie entweder nicht richtig verstanden oder gleich etwas anderes doch im Sinn. Die Fortführung in einer Serie dennoch schnell beschlossene Sache, auch wenn in Staffel 1 in der kürzeren, in der halbierten Variante von 45 Minuten pro (je 1 der 8) Episoden und auch nicht chronologisch, also nicht in der Reihenfolge der Schriften, die dort doch ein wenig aufeinander am Aufbauen, wenn dies auch zumeist nur in dem Auf und Ab und Hin und Her der stürmischen Beziehung zwischen den beiden Frührentnern Raisin und Lacey, zwei eingeschweißten Junggesellen und Dickköpfen ist.
Starten tut man hier, aus welchen Beweggründen auch immer, mit dem 4. Band, dem "Die Tote im Feld“, in dem das Führungsmitglied einer aufrührerischen Aktivisten- und gleichzeitig Wandergruppe direkt auf dem Grund und Boden und für die Öffentlichkeit gesperrten Wegstück eines Gutsherren ermordet aufgefunden wird, und entsprechende Streitereien zwischen den Parteien und lautstarke Proteste mit “Freiheit für das Volk!“ dem auch vorausgegangen sind. Zusätzlich wird frei erfunden und anders als im Text noch ein Filmfestival und ein Nackedei - Yogamensch initiiert, wobei man sich von der Behandlung der Sätze dem Pilotfilm gleich anschließt. Die Haupt- und Titelfigur und ihre Umgebung – ein rein von den Häusern und der Landschaft eigentlich beschauliches Nest – ist immer etwas extravaganter, lautet, bunter und auch peinlicher noch in den Fettnäpfchen, als es selbst der Elefant im Porzellanladen bei Chesney so schon ist. Der seltsame Hang zur Artikulation, die schon beinahe in eine Art unfreiwillige Parodie sonstiger britischer Cozy Mysteries umschlägt, aber dafür a) nicht clever oder schwarz genug ist und b) letzten Endes auch die gleiche Schiene bedient und so dasselbe Publikum gleichzeitig anlockt und verprellt.
Folge 2 "Die tote Glöcknerin“, wirkt entweder wegen der fortschreitenden Eingemeindung daran schon flüssiger oder auch deswegen, weil hier keine 'richtige' Vorlage zu existiert und so die quälenden Vergleiche nicht handhabbar sind. 'Adaptiert' wird eine Kurzgeschichte von 2013, eine Art Special, die auch nur vier, fünf Seiten geht und es der sich höchstens die Prämisse für Weiteres im Fernsehen ergibt. Wie schon im Pilotfilm auffällig, hat man vor allem die Funktion von Mrs. Bloxby, der Pfarrersfrau, und ihres Angetrauten, dem Pfarrer selber, als eigentlich gute Seele des Dorfes nicht verstanden und rückt beide wieder in recht niederes Licht – Er ist zwar auch durch eine Umbesetzung von Kobna Holdbrook-Smith zu Rhashan Stone nicht mehr der Kasper, aber wird dafür des Diebstahls der Kirchenkollekte, des Mordes und noch schlimmer, des Fremdgehens verdächtig, und Sie ist eigentlich nur eine graue Maus –, was den ganzen Aufhänger der Geschichte schon mehr als unplausibel macht und von dem eigentlich ausreichend fabulierten und stabilisierten und auch in den bisherigen Tenor und Kontext arrangierten Geschehen nur mehr schlecht als recht ablenkt und hanebüchen auf falsche Fährten lenkt. Den Rest der Beteiligten wie James Lacey und Bill Wong, die in dem Minimaltext und wohl auch im Leben von Raisin, die dort bereits Privatdetektivin mit Praxis ist, gar nicht mehr existieren, hat man als Ausgleich dafür recht gescheit eingebunden. Nur auffällig außen vor, was eigentlich vorherigen Ereignissen und einer gewissen Struktur von Serie widerspricht.
Auch Episode 3 "Die Tote im Wasser“, welches ursprünglich als Band 8 erschien, ist in der Ausarbeitung für das Fernsehen durchaus ansprechend, nur diesmal gekürzt statt erweitert umgesetzt. Rund die Hälfte der Figuren aus dem Buch ist hier noch anwesend, was allerdings ausreicht und der Übersichtlichkeit gar noch hilft. Die Geschichte um die geplante kommerzielle Nutzung einer bis dato der Öffentlichkeit zugänglichen Wasserquelle ist in seiner Prämisse gar etwas forscher und so für die Aufmerksamkeit direkter angegangen, was durchaus zweckdienlich als Starthilfe für das dann übliche Gefrage quer durch die Dorfbewohner, diesmal nur im Nachbarort, unwesentlich für die Dramaturgie und die Formulierung ist. Spätestens bei Folge 4 "Die tote Gärtnerin“ fällt dann auch leider etwas auf, was auch aufgrund der mehrere Monate auseinander liegenden Erscheinungsdaten der nur Bücher, sowohl im Original als auch der deutschen Übersetzung durch Sabine Schilasky so deutlich nicht ersichtlich ist: Es ist im Grunde viel das gleiche, was erzählt wird, nicht nur dasselbe Universum, in dem man spielt, sondern das bloß leicht veränderte Stück. Die gelinde Variation der Unterhaltung, die beinahe schon die Sicherheit der Wiederholung und nur unwesentlich anders im Stricken derselben Versatzstücke ist. Leicht zu lesende Texte, scheinbar leicht geschrieben, äußerst flüssig und mit Wiedersehensfreude zu konsumieren; was bei den Verfilmungen wie Folge 5 "Der tote Tierarzt" und Folge 6 "Die ertrunkene Braut" nicht gänzlich anders ist, dort aber jede Woche und so spürbar 'More of the Same', fast “Monster-of-the-Week“ ist.
Aus dem Schema weicht die Folge 7 "Die tote Hexe“ etwas ab, wird hierbei ein Hotel in der (nahen) Ferne aufgesucht, dass vorübergehend für etwas Abstand von all dem Kriminellen daheim und vor allem (wegen einer verunstalteten Frisur) auch von Lacey sorgen soll. Natürlich ist damit Pustekuchen, wird in der Handlung beides gleichzeitig, bzw. erst der Mord an der Titelfigur der Episode ausgelöst und dann der Besuch vom hilfreich zur Seite eilenden Lacey samt Entourage von Dorfpolizist Bill Wong und Pfarrersfrau Mrs. Bloxby und auch Agathas schwulen Bekannten Roy im Nachhinein verursacht. Deren Zusammenspiel klappt nunmehr hervorragend, nur Agatha selber bleibt über Episode 8 "Der tote Ehemann" hinaus auch zur mittlerweile auf 4 Staffeln angewachsenen Saga recht anstrengend und das versuchte Skurrile der gesamten Produktion wird hierbei auch noch einmal erneut durch das weitere vorhandene Personal auf Höhen getrieben, die schon etwas anstrengend auf Dauer und fern von sonstigen beliebten britischen Understatement sind.