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„Sounds like a football match!”

„A Lizard in a Woman's Skin”, der nach „Nackt über Leichen“ zweite Giallo des italienischen Genre-Tausendsassas Lucio Fulci, stammt aus dem Jahre 1971 und hat leider bis heute keine deutsche Auswertung erfahren. Dennoch erfreut er sich auch hierzulande innerhalb der italophilen Cineastinnen- und Cineastengemeinde großer Popularität und Beliebtheit.

„What you‘re doing?” – „Painting.”

London, Anfang der 1970er Jahre: Carol Hammond (Florinda Bolkan, „Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger“), Tochter eines renommierten Politikers und Ehefrau des erfolgreichen Unternehmers Frank Hammond (Jean Sorel, „Belle de jour – Schöne des Tages“), hadert mit ihrem langweiligen und zerrütteten Eheleben, in dem nichts Aufregendes mehr geschieht. Ihr Mann scheint seinerseits das Interesse an ihr verloren zu haben, betrügt er sie doch seit geraumer Zeit mit einer anderen Frau. Daher träumt sich Carol in ekstatische Fantasien um ihre attraktive Hippie-Nachbarin Julia (Anita Strindberg, „Der Schwanz des Skorpions“) hinein, deren ungezwungener, hemmungsloser Lebenswandel in einem starken Kontrast zu dem Carols steht und der gerade deshalb eine starke Faszination auf sie ausübt. Kurz nachdem Carol ihrem Therapeuten einen Traum offenbarte, in dem sie Julia nach einer gemeinsamen Nacht ersticht, wird Julia tatsächlich tot aufgefunden – und ihr Brieföffner findet sich als Tatwaffe am Tatort. Hat Carol also gar nicht geträumt? Kann sie nicht mehr zwischen Traum und Wirklichkeit unterscheiden? Oder spielt jemand ein perfides Spiel mit ihr…?

Fulci eröffnet seinen Film mit einer surrealen Alptraumsequenz Carols – ästhetisch verfremdet, in knalligen Farben und erotisch aufgeladen. Letzteres ist auch die entfesselte Orgie, die Julia in ihrer Wohnung feiert. „A Lizard in a Woman's Skin” beginnt demnach als Erotik-Giallo, schwenkt nach einer weiteren, ähnlich surrealen Alptraumsequenz, nun jedoch mit blutigen Gore-Einlagen, in den Horrorbereich über. Nachdem Carol ihrem Psychologen von ihrem mörderischen Traum berichtet hat, findet dieser Deutungsmuster und spricht ihr Mut zu. Als sich herausstellt, dass Julia wirklich ermordet wurde, steht zunächst einmal der Verdacht im Raum, dass jemand Carol in den Wahnsinn treiben will. Der irische Hippie Harry Smith ist geständig, erzählt jedoch, wie sich in einer herrlich grotesken Szene rasch herausstellt, lediglich Mist. Die Polizei ermittelt, doch Carol und ihre Stieftochter Joan (Ely Galleani, „5 Dolls for an August Moon“) stellen ihrerseits Nachforschungen in der Hippiekommune an.

Ein Whodunit? gepaart mit Motivsuche also, wobei die polizeiliche Ermittlungsarbeit um den ständig Melodien pfeifenden Inspektor Corvin (Stanley Baker, „Sodom und Gomorrha“) für einen Giallo relativ stark im Fokus steht, was ihn nun als eine Melange aus Psycho-Thriller und Kriminalfilm erscheinen lässt. Eine Persönlichkeitsspaltung Carols wird ebenso in Betracht gezogen wie eine Täterschaft Franks. Die eine oder andere Wendung führt aufs Glatteis respektive von ihm herunter; sie sind dem Genre entsprechend gut gelöst, ein weiterer Mord erhöht die Fallhöhe. Fulci gelingen eine spannende Narration und Dramaturgie ebenso wie aufsehenerregende Kameraeinstellungen (besonders schön: das Spiegelbild des Carol verhaftenden Polizisten in ihrer Pupille), verstörende Bilder wie die der Tierversuche in einer Klinik, in der Carol von jemandem verfolgt wird, bis hin zu nervenzerrenden Terrorszenen, allen voran die unheimliche Hatz in einer Kirche inklusive aufgescheuchter Fledermäuse. An den Spezialeffekten war wohlgemerkt niemand Geringerer der spätere Oscar-Preisträger Carlo Rambaldi beteiligt.

Als man glaubt, endlich des Rätsels Lösung gefunden zu haben, folgt jedoch der irgendwie leider auch genretypische eine Twist zu viel. Dieser lässt „A Lizard in a Woman's Skin” überkonstruiert und zu dick aufgetragen erscheinen, zumal sich damit letztlich nach all den Wendungen schlicht der erste Verdacht bestätigt. Vom schwächelnden Ausgang einmal abgesehen, ist Fulcis zweiter Giallo aber ein fiebrig psychedelischer, insbesondere mit Florina Bolkan hochkarätig besetzter, oft hervorragend fotografierter und von einem fidelen Morricone-Soundtrack veredelter Genrebeitrag. Dieser erweckt bei mir ein bisschen den Eindruck, Fulci habe mit verschiedenen Ausrichtungen des Genres, von Erotik über Psycho und Horror bis hin zu konventionelleren Krimianleihen, experimentiert und die einzelnen Teile zu einem interessanten und unterhaltsamen Potpourri zusammengesetzt, das zudem exploitativ im (ich nenne es mal) Hippiefilm wildert. Sehenswert!

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