In einer nicht allzu fernen Zukunft hat eine Pilzinfektion die Menschheit in blutgierige, „Hungries“ genannte Bestien verwandelt, die über jeden herfallen, der noch nicht infiziert ist. Die Ärztin Dr. Caroline Caldwell forscht in einer militärischen Einrichtung an einer kleinen Gruppe Kinder, die im Mutterleib erkrankt sind und deswegen weit weniger dumpf-aggressiv ihrem Fressimpuls nachgehen. Ein Heilmittel konnte allerdings bislang noch nicht gefunden werden. Diese Kinder, die im Gegensatz zu den üblichen Hungries weitaus mehr menschliche Züge aufweisen und unter denen die sehr wissbegierige, intelligente Melanie ist, werden sogar von der Lehrerin Helen Justineau unterrichtet, die für Melanie fast schon mütterliche Gefühle hegt. Als die Militärbasis von Hungries überrannt wird, müssen Dr. Caldwell, Helen aber auch Melanie fliehen...
Schon die ersten Bilder vermitteln den Eindruck, hier mal nicht das übliche Survival-und-Jagd-Einerlei aus der Apokalypse-durch-Infizierte-Ecke zu erleben: höfliche, zuvorkommende Kinder, die mit Waffen bedroht und an Rollstühle fixiert werden, um zum Unterricht gekarrt zu werden, ein ungewöhnliches, weil selten gebrauchtes Bildformat (2:1) und Glenn Close! Die mittlerweile 70jährige, in Ehren ergraute Schauspielerin (bislang nicht wirklich für einen reinen Genrefilm bekannt) in einem blutgetränkten Horrorfilm – wenn das mal nicht schon reichen würde, um „The Girl With All The Gifts“ ein Alleinstellungsmerkmal zu verpassen. Nein, der von Mike Carey erdachte Stoff, den der Autor des gleichnamigen Buches auch als Skript bearbeiten durfte und der durch Colm McCarthy nüchtern-brutal umgesetzt wurde, hätte auch ohne die Close in ihrer beeindruckend kaltherzig angelegten Rolle sehr gute Chancen gehabt, sich aus dem Gros des Genres hervorzutun und lange in Erinnerung des Horrorfans haften zu bleiben. Die hier erzählte Story ist nämlich eine intelligente Weiterentwicklung von Endzeitstoffen wie „Day Of The Dead“ und knüpft quasi nahtlos (weil motivisch und Drehortbedingt passend: erst die Militäreinrichtung, dann das menschenleere, von Pflanzen überwucherte höchst unheimliche London) an solche Klassiker wie „28 Days / Weeks Later“ an und führt deren eher vordergründig actionlastigen Geschichten zu einem gleichsam bitteren wie hoffnungsverheißendem Ende, über das sich trefflich diskutieren lässt. Und weil „The Girl With All The Gifts“ zudem ein Kind in den Mittelpunkt der Handlung stellt, von dem nicht nur eine letale Gefahr ausgeht sondern das auch in blutig-schockierende Szenen involviert ist, kratzt das Gespann McCarthy/Carey am immer noch existenten Horror-durch-Kinder-Tabu und so rückt man filmhistorisch betrachtet in die Nähe von „Ein Kind zu töten…“, der sich auf seine Weise auch schon mit Endzeitvisionen auseinandergesetzt hat und mit ebensolcher Gesellschaftskritik nicht sparte. Auch wenn heute Untote, Zombies, Infizierte selbst zur Prime Time im TV hoffähig geworden sind („The Walking Dead“), so beweist doch „The Girl With All The Gifts“, der zu Recht auf Festivals herumgereicht und auch ausgezeichnet wurde, auf eindrucksvolle Weise, wie frisch das Subgenre immer noch sein kann, wenn man a) eine echte, nachdenkenswerte Geschichte zu präsentieren hat und b) sich um Figuren, ihre Charakterisierungen und vor allem um ihre Weiterentwicklungen kümmert. Hier passt alles wunderbar zusammen, hier hat man mal wieder einen Meilenstein des Horrorfilms vor sich. Bildformat: 2:1. Des weiteren mit Gemma Amerton, Sennia Nanua, Paddy Considine, Fisayo Akinade u. a.
© Selbstverlag Frank Trebbin