Review

kurz angerissen*

Würde „Train To Busan“ wie so viele andere südkoreanische Filme in den hintersten Filmregalen zum Sterben zurückgelassen werden, müsste man ihn aufgrund seiner unbestreitbaren Qualitäten vor dem Vergessenwerden schützen. Da er nun aber sogar als der große Revitalizer des Zombiefilms gehandelt wird, gilt es vielmehr zu erden, denn das ginge wiederum ein wenig zu weit...

Unbestreitbar sicherlich die technischen Vorzüge. Der begrenzte Raum eines Hochgeschwindigkeitszuges wird vom Drehbuch effizient genutzt und verkettet Situationen, die stets wie Sackgassen erscheinen, zu einer Abfolge raffiniert arrangierter Kausalitäten. Kamera und Schnitt suggerieren hohes Tempo, erzeugen adrenalinhaltige Spannungsspitzen und lassen Sets und Make-Up vor allem aufwändiger erscheinen als es tatsächlich vielleicht der Fall ist. Wenig Blut ist nötig, um die Angriffe der Infizierten bedrohlich erscheinen zu lassen; in den Wettbewerb um den brutalsten Genrebeitrag steigt Yeon Sang-ho wohlweislich nicht ein, denn zu diesem Zeitpunkt wäre es eine Teilnahme ohne Aussicht auf Gewinn.

Unter Berücksichtigung des nicht minder rasant inszenierten „Snowpiercer“ von Bong Joon-ho löst sich der Originalitätsfaktor des Settings jedoch schnell in Wohlgefallen auf. In diesem Zusammenhang stört auch das fehlende Bekenntnis zum Comichaften. Wo das gezeichnete Cover-Artwork in Panels spricht, vergisst der Film, seine Charaktere ebenso wie die Setpieces mit entsprechenden Eigenarten auszustatten. Zwar versucht das Skript durchgehend, die Kapitalismus- und Ellbogengesellschaft mit Seitenhieben zu strafen, etwaige Versuche geraten aber aufgrund der wenig expressiven Darstellung etwas zu halbherzig. Einzig bei der konsequenten Fortbewegung der Infizierten wagt man sich an eine irreale Bildsprache, erzeugt damit aber eher ungewünschte Assoziationen zum missratenen A-Zombieschocker „World War Z“.

Trotz großzügig geschaffener Hintergründe gelingt es vor allem nicht, dem Zuschauer auch nur einen der vielen Charaktere nahe zu bringen, was vor allem bei der Vater-Tochter-Hauptbesetzung fast schon ein kleines Kunststück ist. Wer einmal die erste Staffel des Adventure-Videospiels „The Walking Dead“ gespielt hat (das übrigens ebenfalls eine Episode um einen Zug beinhaltet), bekommt eine Vorstellung davon, was man idealerweise aus einer solchen Konstellation herausholen könnte.

Ungeachtet dieser Mängel ist „Train To Busan“ ein geschickt mit dem gewählten Szenario jonglierender Horrorthriller, der sich internationale Aufmerksamkeit durchaus verdient hat. Derweil mutiert das Zombie-Genre wegen Beiträgen wie diesen langsam zu einem Äquivalent des Westernfilms, insofern allerhand Settings für eine zukünftige Postapokalypse durchkonjugiert werden, wie der Western sie zur Aufarbeitung der Geschichte vordeklinierte.

*weitere Informationen: siehe Profil

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