Review


Tod in Venedig


"La vittima designata", Maurizio Lucidis melancholischer Film, der eigentlich kein Giallo ist, auch wenn er zuweilen so eingeordnet wird, ist ein extravaganter Thriller, in dem sich Tomás Milián und  Pierre Clémenti ein Psychoduell unter anderem vor der Kulisse Venedigs liefern, deren morbider Charme den ganzen Film erfasst.

Milián spielt Stefano Augenti, einen Grafiker, der durch seine Heirat mit Silvia Monti Augenti (Marisa Bartoli) gesellschaftlich aufgestiegen, aber der Ehe völlig überdrüssig ist. Er unternimmt Versuche, die Firma seiner Frau zu verkaufen, um mit dem Geld im Ausland ein sorgenfreies Leben führen zu können. Doch die verbitterte Silvia durchschaut sein Spiel, verhöhnt ihn, lässt ihn spüren, dass er ohne sie nur der unbekannte Grafiker geblieben wäre. Als er mit seiner Geliebten Fabiàne (Katia Christine ) für ein paar Tage in Venedig weilt, tritt der seltsame Graf Matteo Tiepolo (Pierre Clémenti) an ihn heran, der ihm offeriert, Silvia zu töten, wenn er zu einer Gegenleistung bereit ist...

Der wandlungsfähige Milián spielt hier einen zwar unangepassten, aber auch leisen, nachgiebigen Charakter, was Sinn macht, sonst ließe sich kaum erklären, wie der sinistre Graf ihn in sein „Todespiel“ so hineinreißen kann.
Die von Lucidi (der, neben noch vier weiteren Autoren, auch am Drehbuch schrieb) und Clémenti umgesetzte Figur des Grafen ist sicherlich die beachtlichste des Filmes: Ein Décadent durch und durch, mit leichten Zügen eines Gothic Villain, der seine weibliche Begleitung sich prostituieren lässt, nur weil es seiner Laune entspricht. Und der, irritierend sanftmütig in seiner Art, aber dennoch wie eine Klette und immer sofort einen Körperkontakt herstellend, sich an Augenti hängt, der, hin- und hergerissen zwischen Faszination, Überdruss und Ablehnung, den erklärt amoralischen, sehr feminin wirkenden Grafen nicht abzuwehren vermag. - Die homoerotischen Untertöne des Filmes sind unverkennbar.
 
Clémenti schrammt in seiner Rolle, die fraglos einiges an Pathos verlangt, haarscharf am Overacting vorbei, bleibt aber überzeugend und ein ebenbürtiger Konterpart Miliáns/ Augentis.

Spannend ist der Film, doch beileibe nicht durchgehend. Der Actiongehalt - bei einem guten Thriller ohnehin zweitrangig -  ist nicht der Rede wert, und auch in der Darstellung von Gewalt bleibt "Der Todesengel" - zumal für italienische Verhältnisse - sehr zurückhaltend.
Das Duell Miliáns und Clémentis ist es, was den Film ausmacht. Hinzu kommt die bedeutungsschwangere Symbolik (immer wieder rückt z.B. die Zahl zwölf in den Mittelpunkt) und die oft entrückte Atmosphäre (musikalisch vorzüglich unterstützt), die von der früherer Argentos nicht allzu weit entfernt ist. Manchmal wird es aber auch ganz nüchtern und sachlich, gerade wenn Commissario Finzi (ebenso sehr gut: Luigi Casellato) einen Auftritt hat, der, zäh und akribisch in den Details, Stefano Augenti zur Strecke bringen will…

Vieles bleibt in dem Film, der vermutlich durch Patricia Highsmiths Buch "Der Fremde im Zug" inspiriert ist,  erfreulich lange unklar, wenngleich ich, sonst nicht der Schnellmerker, das Ende rasch vorhersah. 

Ein anspruchsvoller, visuell hochstehender Film. Wegen seiner Ästhetik 9/10.

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