Review

Frauen, die aus Scheiben starren

"Girl On The Train" ist die Verfilmung eines der erfolgreichsten Bücher der letzten Jahre & handelt von einer Alkoholikerin, die vom Zug aus scheinbar glücklichere Frauen mit schöneren Leben & Lieben beobachtet - bis sie eines Tages volltrunken & ohne wirkliche Erinnerung an die wichtigen Stunden, in einen Mord einer ihrer "Bekanntschaften" gezogen wird. Ein klassisches Mörder-Rätsel, ein feministischer (& ziemlich männerhassender) Thriller ala Hitchcock, der mit jeder seiner Poren, Zeitsprünge oder sexy Vorstadt-Alpträume, "Gone Girl" nacheifert - nur leider, abgesehen von einer groß aufspielenden Emily Blunt, kann das Verwirrspiel um die trinkende Voyeuristin, nie ansatzweise mit dem großen Vorbild mithalten. Muss auch nicht sein, der Film ist trotzdem in Ordnung & nicht jeder Schuss kann ein Meisterwerk sein. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass die Vorlage (die nur meine Freundin gelesen hatte), noch wesentlich mehr hergegeben hätte. Oder soll das wirklich eine der schockierendsten & stärksten Krimigeschichten der letzten Jahre sein?!

Meiner Freundin, als Leserin & Fan des Buches, gefiel auch der  Film mindestens genauso gut. Eine gute Nachricht für die Millionen verspoilten Leser. Schade ist jedoch, dass der Film bei mir, der den Ausgang der Story nicht kannte, nicht noch besser ankam. Ganz im Gegenteil. Auf mich wirkte der Film nicht nur unnötig aufgeblasen & kompliziert, sondern weder originell noch befriedigend. Doppel schlimm bei einem erotischen Thriller. Denn eigentlich geht es hier vor allem darum, was denn nun passiert ist im Tunnel & wer der Mörder ist. Doch genau dieses Geheimnis ist für halbwegs begabte Schnüffler nicht lange eins, und wenn doch, dann bleibt das Finale hinter allen Erwartungen & Hoffnungen zurück. Viel TamTam um so eine beliebige, einem fast egale Auflösung. Die vielen hübschen & begabten Darsteller retten den Film dann vor dem totalen Verblassen, selbst wenn die titelgebende Antiheldin als einzige etwas tiefergehend gezeichnet wird. Vor allem die dominanten Männer, um die hier alle Frauen recht altmodisch & naiv kreisen, bleiben leere, aggressive Hüllen. Der Stil dieser mysteriösen Zugfahrt ist schick, wenn auch bei o.g. Vorbild dreist abgekupfert. Da kann man dann sogar mit der Schauplatzverlegung von London nach New York leben.

Trotz der inhaltlichen Beliebigkeit & einigen inszenatorischen Schwächen, kann ich "Girl On The Train" für Fans von feinen Thrillern empfehlen. Wenn die Erwartungen etwas runtergeschraubt werden. Denn weibliche Alkoholikerinnen sieht man in großen Hollywoodfilmen eher selten & kommt ihnen erst recht nicht so nah. Das ist top & ein großer Verdienst von Emily Blunt, die gegen ein eher flaches, teilweise gar kitschig-soapiges Drehbuch, mit voller Kraft anspielt. Soundtrack, Optik & Darsteller sind 1A, doch gerade bei einem Murdermystery bleibt die Story samt Wendungen, Überraschungen & der Auflösung, noch immer das Wichtigste. Und hier liegen dann doch so einige Teilchen auf den Schienen, die die Fahrt ärgerlich unrund & holprig erscheinen lassen. Noch dazu ist er nie wirklich sexy, sowohl Männer- & Frauenbild sind zu hinterfragen & der Film hat eindeutig Längen & Redundanz, kommt einem doppelt so lang vor, wie er eigentlich ist. Man zittert nie wirklich mit, sogar die Neugier verflog. Deswegen kann der Daumen nur für die technische & schauspielerische Seite hoch gehen - dafür dort aber richtig!

Fazit: stylischer Thriller, der sich jedoch heftig zieht & dessen Auflösung nicht den versöhnenden Knall oder Schock oder die Überraschung mit sich bringt, die den Film in wirklich empfehlenswerte Bereiche hieven würde. Fans der (tiefergehende) Vorlage & der großartigen Darsteller, vor allem der einmaligen Emily Blunt, rätseln jedoch gerne (nochmal) mit. Ich habe öfters gegähnt als gestaunt. 

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