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The Girl on the Train (2016, Tate Taylor)

Seit der Scheidung von ihrem Mann Tom geht es mit dem Leben von Rachel Watson bergab. Die ehemals erfolgreiche PR-Mitarbeiterin verliert ihren Job, verfällt dem Alkohol und wird tagein, tagaus von Frustration und Sehnsucht geplagt. Ihr Ruf als abgewrackte, regelmässig betrunkene Exfrau, die es nicht lassen kann, dem früheren Gatten und dessen neuer Ehepartnerin mit Kind nachzustellen, ist in dieser schwierigen Lebensphase auch nicht gerade von Nutzen. Bei ihren ziellosen Zugfahrten durch die Agglomeration von New York beobachtet Rachel vom Waggonfenster aus regelmässig Toms Haus, aber auch das seiner jungen Nachbarn, in Rachels Augen und Fantasie nicht weniger als das perfekte Paar, auf welches sie immer wieder ihre eigene Sehnsucht nach der verlorengegangenen Zuneigung projiziert. Doch dann verschwindet Megan, die Nachbarsfrau, die zufällig auch für Tom als Babysitterin gearbeitet hat, spurlos. Die Alkoholikerin lässt sich von ihrer Neugier dazu verleiten, selbst Nachforschungen anzustellen und gerät so mehr und mehr selber ins Visier der Polizei. Wahrheit und Lüge verschwimmen.

Soweit die Ausgangslage dieses überraschenderweise bei der Kritik sehr verhalten aufgenommenen Thrillers, der auf einem Roman von Paula Hawkins basiert. Der mit dem literarischen Vorbild nicht vertraute Filmfreund fühlt sich bei Prämisse und Inszenierung aber vielmehr an zwei jüngere Kriminalfilme erinnert, die in den letzten Jahren deutliche Spuren im Genre hinterlassen haben: David Finchers "Gone Girl" und Dennis Villeneuves "Prisoners". Rätselhafte und verstörende Deliktsfälle hinter den gutbürgerlichen Happy-Family-Fassaden in vermeintlich biederen Vorstadtsiedlungen stellen dabei die prägnanteste Parallele zwischen den drei Filmen dar. Aber - so viel sei verraten - das Mädchen im Zug erreicht nie so ganz die pausen- und atemlose Hochspannung und Faszination der beiden vorzüglichen Genrekollegen. Zu holprig ist die erste Hälfte teilweise, zu schwammig und mit limitiertem Gespür für Dramaturgie werden die Perspektiven der drei weiblichen Hauptfiguren Rachel, Megan und Anna, die teils auch in Rückblenden spielen, aneinandergereiht.

Dennoch wird auch der etwas wirre und umständliche Auftakt der Geschichte nie langweilig und der restliche Film dafür immer spannender. Zwar bleiben die Charaktere meistens eher an der Oberfläche, aber starke Darsteller wie Justin Theroux oder die wieder mal fantastische Emily Blunt überstrahlen diesen Makel förmlich. Wenn Tate Taylors Kamera die Abgründe des Vorstadtlebens und die Gedächtnislücken der Protagonistin erforscht sind verstörende visuelle Puzzlestücke mit allerhand desorientierenden Jump Cuts garantiert, die auf des Rätsels Auflösung Lust machen. Diese Lösung ist keine inhaltliche oder narrative Innovation, aber gut in Szene gesetzt und sorgt für einen weiterhin sehr spannenden Abschluss der Geschichte. Danny Elfmans Score vermag dagegen keine wirklichen Akzente zu setzen, bis auf eine musikalisch bemerkenswerte Szene, in der seine psychedelischen und vermeintlich willkürlichen Klänge die eindringliche Atmosphäre des Thrillers weiter anregen.

Um in einem Atemzug mit den Grossen des Genres genannt zu werden hat es dem zugfahrenden Saufmädel nicht gereicht. Taylors Romanverfilmung hat seine Schwächen, in erster Linie dass immer wieder durchschimmert, dass die erzählte Geschichte in einem Roman vermutlich besser funktioniert als in einem Film. Dennoch vermag der Thriller zu überzeugen, mit prägnanten Darstellern, intensiver und derber Atmosphäre und einer nach dem unausgegorenen Einstieg zunehmend spannenderen Geschichte. Für Freunde des Genres empfehlenswert.

Wertung: 7 / 10

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