Es steht zu vermuten, dass bei Benny Chans ursprünglich Deadly Reclaim betitelten und seit Juni 2015 angekündigten Filmes gleich mehrere Inspirationen und frühere konkrete Projekte als Ideengeber im Raum standen. So atmet das Epos im Kleinen, dass ursprünglich Ende 2015 zum Weihnachtsgeschäft in die Kinos kommen sollte, dann aber auf den Sommer des folgenden Jahres auswich, sowohl das Flair des Western, welches vor allem musikalisch noch deutlich hervorgehoben und unterstrichen wird, als auch Erinnerungen an die größeren Eastern wie All Men are Brothers - Blood of the Leopard [ 1993 ] noch Anfang der Neunziger und zurückgehend bis zu den glorreichen Siebzigern hier erweckt worden sind. Zudem fallen in diesem Sinne auch direkte Überschneidungen zu Chans hauseigenen Shaolin [ 2011 ] auf, als dessen mehr oder minder inoffiziellen feuerbrünstigen Nachzügler man anfangs schien und stand sowohl der landesinnere Seven Warriors [ 1989 ] als auch der koreanische Kundo: Age of the Rampant [ 2014 ] mit eben jener Mischung aus Ost und West und Drama, Akrobatik und Adrenalin auch offensichtlich Pate; was allesamt aber der Vorteil für den Film, ein altehrwürdiges Kung Fu Abenteuer und nicht etwa der Nachteil einer zu deutlichen Nachahmung oder gar der Versuch des bloßen Kopierens ist. Zwei Tage Aufregung und eine Nacht, in dem Niemand wirklich schläft.:
1914. Als die Lehrerin Bai aus der umkämpften und vom Warlord Cao Ying bedrohten Stadt Stone City mitsamt ihren kleinen Schülern flieht und Aufenthalt in den weitab gelegenen Siedlung Pucheng sucht, weiß sie noch nicht, dass ihr der Tod am folgen ist. Zwar findet sie zwischendurch kurz Hilfe durch den herumstreifenden Wanderer und Ex-Soldaten Ma Feng [ Eddie Peng ], weigert sich dieser aber beharrlich, den kleinen Trupp weiter in die Hauptstadt zu bringen. In Pucheng selber findet sie zwar den ehrenwerten Sheriff Yang Kenan [ Lau Ching-wan ], dessen fürsorgliche Frau Zhou Susu [ Yuan Quan ] und dessen Sub-Commander Liao [ Liu Kai-Chi ] vor, hat der Gesetzeshüter nach dem Abzug der Armee vor wenigen Tagen alle Hände voll mit der marodierenden Bande um Wang Weihu [ Xing Yu ] zu tun, und die furchtsame Bevölkerung nicht wirklich hinter sich. Am nächsten Morgen ist sie, ihr die Unterkunft gebotene Cousin Li Tieniu [ Philip Keung ] und eines ihrer 'Kinder' tot, ermordet von Cao Yings Sohn Cao Shaolun [ Louis Koo ], der ganz in Weiß gekleidet und mit einer güldenen Pistole bestückt nun vollkommen seelenruhig das Spektakel abwartet. Zwar soll er anderntags nach kurzen Prozess offiziell gehängt werden, allerdings stehen direkt vor den Toren der Stadt seine Schutztruppe, angeführt von Colonel Zhang Yi [ Jacky Wu Jing ], die auf Freilassung drängen oder ansonsten die Vernichtung des Ortes androhen.
Die Bilder gleichen sich, der Militäraufmarsch, ein versuchtes nächtliches Eindringen ins Lager, die finale Endschlacht im Kleinkriegsformat, in der die Feinde von Druckwellen durch die Gegend geschleudert, von einem Meer an herabstürzenden Tonkrügen zerschmettert oder von überall herumstehenden Bambusfallen aufgespießt werden. Die Geschichte hat auch Überschneidungen, geht man aber zu Chans Shaolin dennoch einen rasch anderen Weg, der von der Ausgangslage auch mehr Stoff zu Diskussionen bereithält und so gar inhaltlich komplexer ist, als es das frühere Martial Arts Melodram mit seiner vom Saulus zum Paulus - Geschichte bereithielt. Hier ist der Weg teilweise andersherum gezeichnet, muss eine der Figuren erst von seiner Gutherzigkeit bzw. der Rechtschaffenheit überzeugt werden, obwohl er es eigentlich schon längst ist und auch schon einmal mit schwerwiegenden Folgen bewiesen hat, sich allerdings dagegen sträubt und dennoch aus freien Herzen entscheiden kann und ihm nicht etwa der Weg dahin aufgezwungen wird. Zudem ist diese Person noch nicht einmal der unmittelbare Hauptdarsteller, sondern nur eines von vielen Gesichtern, wenn auch in der Prominenz behandelt und in das Licht gerückt; und gibt es hier zwar auch zwei sich gegenüberstehenden Parteien, aber mit mehr als nur einem Aussätzigen, und mehr persönlicher Dramaturgie, die die sich entscheiden Müssenden umgibt.
Die Pattsituation trifft dabei schnell ein und ist dennoch von langer inszenatorischer Hand vorbereitet. Drei Einritte in eine abgelegene Stadt, die die Spannung hoch kochen und dann vom vierten Ankömmling, der ein Eindringling in schicker Fassade ist, zum Überschlagen gebracht wird. Die Situation ist schon zuvor angespannt, häufen sich die Hiobsbotschaften (Abzug der Armee als Schutz, die Aufnahme von Stadtflüchtigen, die die Einheimischen erstmal überfordert und heiß und innig diskutiert wird, sowie die Bedrohung durch eine angeheuerte Söldnertruppe, die nach Aussagen den bezahlten Schutz bringen soll, sich allerdings widersprechend dazu aufführt und erstmal randaliert), was von Regisseur und Produzent Chan in bis dato noch ruhiger Art und Weise gezeigt wird und anfangs auch noch mit etwas komödiantischen Spitzen konterkariert und schließlich und endlich in einem wortwörtlich explosiven Showdown mit großteils glorreichen Kampfszenen aus Alt und Neu und allgegenwärtiger brachialer Vernichtung ausgelöst.
Beim dreifachen Mord im Morgengrauen ist dann Schluss mit Lustig, wobei der Film abseits oder auch mitsamt seinen deutlich lesbaren politischen Verweisen mit auch etwas Sensationsmacherei natürlich immer noch fiktional bleibt und in der Kinolandschaft der bombigen (zuweilen dick aufgetragenen, grell gespielten, den typischen Chanschen Pathos und die Emotionalität wieder freien Lauf lassenden) Action-Unterhaltung fest verwurzelt und nicht bloß in der nackten Allegorie. Das Land ist im Chaos und die Nation in der Zerrissenheit, in der die ausgesprochene Meinung von Heute schon das Todesurteil von Morgen sein kann, während die Demokratie gegen die Despotie zu kämpfen hat und das Volkswohl sich auch manchmal nach falschen moralischen Gedanken, ganz einfach des eigenen Schutzes wegen richtet. [Die weitgehend anonyme Masse hier in dieser Art Sonderverwaltungszone erscheint interessanterweise in jeder Situation negativ konnotiert, entweder als skandierender Lynchmob, feiger Duckmäuser oder mit Speichelleckertum besetzt und überhaupt als Fähnchen im Wind.]
Die Belagerungssituation und die Setzung der Frist sowie die anschließende Grundsatzdiskussion von dem, was mehr Wert hat und ob man für diese Werte auch eintritt oder wegknickt bzw. wegsieht, entsprechen im Grunde den Vorbildern Rio Bravo [ 1959 ] bzw. El Dorado [ 1966 ] und Rio Lobo [ 1970 ], was wiederum als Antwort auf High Noon [ 1952 ] betrachtet wird und das einfache Volk in der Masse und ihre (begründeten) Ängste dem Einzelnen auf der Seite des Gesetzes, teils offiziell gewählt und teils auch kognitiv und/oder intuitiv dazu bestimmt gegenüberstellt. Nachzulesen bei der Kritik der reinen Vernunft und der Kritik der praktischen Vernunft werden hier die diversen Möglichkeiten und ihr jeweiliges Dilemma in Form von sowohl der verbalen Auseinandersetzung als auch für einen Martial Arts Film zugehörig mit allerlei Waffengattungen in behänder Anwendung ausgeübt, wobei die Action-Choreographie von Sammo Hung und seiner Stuntmen's Association doch bessere Arbeit leistet und bis auf einige wenige Übertreibungen in Sachen (unmöglicher) Körperbeherrschung (mithilfe von Drahteinsatz) in Zusammenarbeit mit Kamera und Schnitt im Grunde makellos und ein Genuss für sich ist.
Überaus erfreulich die zurückhaltende, die jeweiligen Kombattanten und ihren Einsatz dennoch unterstützende Montage, die gleichsam zügig und dennoch übersichtlich und jederzeitig erkenntlich und aufnahmefähig auch in den Details eingefangen wird. Wilde Kampfattacken mit dem Schwert, dem Speer, der Streitaxt, aber auch brennenden Fackeln, der Eisenpeitsche, Pistolen, Dynamitstangen, und schlussendlich den nackten Fäusten, die zwar nicht wirklich zahlreich eingespeist sind, aber dann in ihrer Behändigkeit, Bestimmtheit und Beständigkeit jeder für sich ein kleiner Höhepunkt für sich.