Review

kurz angerissen*

Perspektivwechsel bereichern das Leben. Als Alternative zum allseits bekannten Marvel- und DC-Kosmos darf man gerne mal den – normalerweise vermutlich selten gewagten - Blick auf das italienische Superheldenkino richten; Fachkundige kennen vielleicht noch „Il Ragazzo Invisibile“ (2014), sonst schaut's vermutlich schon düster aus. Und wie aus dem Nichts springt auf einmal ein Kleinganove in den Tiber, wird wie einst der „Toxic Avenger“ mit radioaktivem Müll verseucht und bekommt eine auf den ersten Blick amerikanisch klingende Lektion in Sachen Verantwortungsübernahme.

„Jeeg Robot“ richtet sich jedoch insgesamt weniger nach den Regeln des US-Kinos, sondern mehr nach jenen japanischer Filme, basiert die Handlung doch auf dem Manga „Steel Jeeg“, das die in Rom spielende Produktion zwar nicht direkt adaptiert, aber doch zu seinem direkten Meta-Bezugspunkt macht. Während Hauptdarsteller Claudio Santamaria als störrischer Einzelgänger zwar eine sehr solide Leistung bringt, stellt sich jedoch Ilenia Pastorelli in ihrem Filmdebüt schnell als Dreh- und Angelpunkt des Films heraus: Mit ihrer Begeisterung für die genannte Anime-Serie, die sie durch ein ungewöhnlich verrücktes Charakterprofil überaus faszinierend in die gültige Filmrealität transferiert, entwickelt sie sich zum absoluten Herzstück, für das man derart viel Interesse aufbringt, dass man bis zum Abspann zwanghaft versucht, aus ihr schlau zu werden. Dies wiederum überträgt sich auch positiv auf den eigentlichen Hauptdarsteller, der das Gleiche versucht und ähnlich wenig Erfolg hat.

Obgleich es sich um eine sehr hochwertige Produktion mit A-Klasse-Werten in Disziplinen wie Kamera, Schnitt oder Regie handelt, wird relativ wenig Wert auf Spezialeffekte gelegt. Die Superkraft Jeegs wird effizient, aber ohne großes Spektakel in Szene gesetzt und bleibt dem Kriminellen-Milieu über eine entsprechende Wahl von Schauplätzen treu; selbst das Finale rund um ein Fußballspiel im Olympiastadion findet überwiegend im Außenbereich statt. Das mag nach Kompromissen klingen, schafft aber Platz für zwischenmenschliche Momente, die dieser Film ausreizt wie keine Marvel-Verfilmung bis dato. Luca Marinelli könnte als Villain im Crazy-Harlekin-Stil je nach persönlichem Geschmack als zu dick aufgetragen empfunden werden, hat aber in jedem Fall kein Problem, seine meist blassen US-Pendants auf die Plätze zu verweisen.

Ein paar Längen trüben den Fluss und dem Spektakelwert der großen Hollywood-Produktionen kann und will „Jeeg Robot“ nicht nacheifern, aber es handelt sich um einen überraschend reichhaltigen Genre-Beitrag, der seine Charaktere nicht zu Narren erklärt, sondern lieber sorgfältig ausarbeitet.

*weitere Informationen: siehe Profil

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