Review

kurz angerissen*

Ein Märchen zwar, aber keines, das die Realität verdrängt; Fantasie, die sich jedoch nicht überbordend verhält, sondern stets den Kontakt zum Boden behält. Obwohl die einfachen Strukturen einer klassischen Kindergeschichte mit moralischer Wendung nah an den Ufern der Hollywood-Konventionen gebaut sind und ein ums andere Mal in den reißenden Fluss der Klischees zu stürzen drohen, behält sich „Sieben Minuten nach Mitternacht“ unter dem Strich seinen Anspruch, eine handfeste Herausforderung für ein reiferes Kinderpublikum zu bewahren, welches dazu in der Lage ist, auch komplexere Emotionen im Umgang mit schwierigen Themen wie Tod und Verlust zu verarbeiten.

Würde man das computeranimierte Baummonster mit anderen Giganten des Mainstreamkinos bequem in die gleiche Schublade stecken (ob darin nun die Transformers hausen, die Ents aus dem „Herrn der Ringe“ oder Steven Spielbergs großer freundlicher Riese) und somit auf sein Wirken als trampelnder Spezialeffekt reduzieren, täte man ihm sicherlich Unrecht. Als Manifestation der Gefühlswelt des verängstigten Jungen, der seine Mutter an den Krebs zu verlieren droht, ist seine Funktionalität einfach durchschaut, was auch die simple Strukturierung des Films über vier Geschichten auf dem Weg zur „Wahrheit“ (oder_ Katharsis) untermauert. Was der vermeintlich simple Aufbau jedoch an Emotionen nicht nur bei jüngeren Zuschauern auslöst, geht weit über gewöhnliche Kinderfilme hinaus. In wilden Wechseln aus Bildern des effektgeladenen Fantasy-Kinos und des realistischen Familiendramas wühlt Juan Antonio Bayona von der ersten Minute an auf, packt schwere Themen mit bemerkenswertem psychologischen Verständnis an und vermittelt sie mit einem schulterzuckenden „es ist, wie es ist“. Der Regisseur hat nicht unerheblichen Anteil daran, dass sein Film als visuell anregende Mischung unterschiedlichster Stile ebenso gut funktioniert wie als unaufdringliches Lehrstück über das Leben, das sich den erhobenen Zeigefinger konsequent spart.

Anders als ein „Big Fish“ ist „Sieben Minuten nach Mitternacht“ nicht vollständig im Jenseits verwurzelt und könnte daher bei falschen Erwartungen (an einen leichten Filmabend ohne intellektuelle oder emotionale Herausforderung) sogar enttäuschen oder gar verärgern; dies zeigt allerdings bloß, dass die Nadelstiche, die er setzt, ihre Wirkung nicht verfehlen. Auch wenn oft nur Nuancen fehlen, um den Baum ins Grenzgebiet dick aufgetragener Jugendpädagogik kippen zu lassen.

*weitere Informationen: siehe Profil

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