Review

„Von guten und schlechten Genen"

Sicher ist es kein Nachteil, wenn man einen Kinofilm drehen will und Daddy auf den Namen Ridley Scott hört. Der ein oder andere Dollar wird etwas leichter locker zu machen sein, der ein oder andere Wunsch-Darsteller wird sich etwas schneller überzeugen lassen und überhaupt wird die allseits bekannte „Apfel-Stamm-Weisheit" ein paar Türen deutlich schneller öffnen, vom Vitamin-B-Faktor mal ganz zu schweigen. Andererseits wird man auch schnell auf eben diese begünstigten Faktoren reduziert und die Beurteilung des fertigen Produkts kann sich kaum davon frei machen.

Für „Das Morgan Projekt" wäre das schade. Denn Luke Scott hat hier einen kleinen, aber feinen Science-Fiction-Thriller mit zarten Horror-Anleihen gedreht. Natürlich, werden viele sagen, ist ja auch Vaters Stamm-Terrain. Andererseits irgendwie auch verbrannte Klassiker-Erde, also Hut ab, Luke. Immerhin ist hier weder visuell, noch inszenatorisch ein limitierter Kopist am Werk.

Das begrenzte Setting einer abgelegenen Forschungseinrichtung verströmt von Beginn an einen sanften Horror-Dunst, der sich mehr durch das dort versammelte Personal und deren Auftreten einstellt und weniger durch optische Kniffe erzeugt wird. Die jahrelang abgeschottet arbeitenden Wissenschaftler sind natürlich wenig erfreut, dass ihnen nun die Risikomanagerin Lee Weathers (Kate Mara) auf die Finger schaut. Verständlicherweise ist die geldgebende Firma nervös, schließlich hat sich die künstlich erschaffene Lebensform "Morgan" einen blutigen Ausraster geleistet. Weathers soll den Zwischenfall aber nicht nur untersuchen, sondern auch gleich über Fortsetzung bzw. Einstellung des Projekts entscheiden.

Die Spannung verteilt sich so geschickt auf verschiedene Erzählebenen. Die Wissenschaftler sind gleichermaßen misstrauisch, verärgert und besorgt ob des eiskalt auftretenden Neuankömmlings. Auch untereinander scheinen sie uneins, was in der aktuellen Drucksituation immer deutlicher zu Tage tritt. Weathers wiederum sieht sich einer Wand aus Verschlossenheit und Argwohn gegenüber. Und schließlich wäre da noch  Morgan (Anja Taylor-Joy), das mit synthetischer DNA entwickelte Wesen, äußerlich ein normaler weiblicher Teenager, übersteigen ihre körperlichen und geistigen Kräfte die eines jeweils überdurchschnittlich veranlagten Erwachsenen bei weitem. Wird sie kooperieren? Wird sie erneut aggressiv reagieren? Ist sie überhaupt kontrollierbar?

Vieles erinnert dabei an das Si-Fi-Kammerspiel „Ex Machina", das allerdings deutlich philosophischer und tiefgründiger angelegt ist, dafür im Finale zu schwächeln beginnt. „Morgan" setzt mehr auf vordergründige Spannung und Action. Das ist nicht umwerfend originell, aber höchst effektiv, zumal Scott es versteht dramaturgisch zu verdichten und das Tempo zu steigern. Dabei hilft ihm auch die bis in kleinste Parts namhafte Besetzung.
Die ansonsten gern sexy und verführerisch (u.a. „House of Cards") gecastete Mara, tritt hier als unterkühlte Karrieristin mit strengem Kurzhaarschnitt und straffem Businesslook auf und bleibt ähnlich undurchsichtig wie Anja Taylor-Joy als Gen-Experiment Morgan. Paul Giamatti als Psychologe Dr. Shapiro legt einen enorm starken Kurzauftritt hin und Toby Jones, Michelle Yeoh sowie Rose Leslie („Game of Thrones") sorgen als hin- und her gerissenes und unterschiedliche Interessen verfolgendes Laborpersonal für eine überzeugend angespannte Atmosphäre.

Ridley Scott kann jedenfalls absolut zufrieden mit dem Regiedebut von Filius Luke sein. Als Second Unit Director bei „Exodus" und „Der Marsianer" war er offenbar durchaus lerneifrig und wissbegierig gewesen. „Morgan" ist kein großer, oder meisterlicher Film, aber ein sehr effektiver. Spannendes, dichtes, bildstarkes Genrekino. Ob er das auch ohne Papas Hilfe geschafft hätte, ist dabei wenig relevant.

Details
Ähnliche Filme