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„Ich hab das Gefühl, wir sind entweder tot oder in einem anderen Universum!“

Der neuseeländische Science-Fiction-Film „Quiet Earth – Das letzte Experiment“ aus dem Jahre 1985 fußt auf dem gleichnamigen Roman Craig Harrisons und orientiert sich zudem an postapokalyptischen Geschichten wie der mehrfach verfilmten „I am Legend“ von Richard Matheson. Regie führte der Neuseeländer Geoff Murphy, der später US-Produktionen wie „Freejack“ oder „The Last Outlaw“ inszenierte.

Wissenschaftler Zac Hobson (Bruno Lawrence, „Die Brücke ins Jenseits“) erwacht eines Morgens und wähnt sich als einziger verbliebener Mensch auf Erden. Bis auf die Flora scheint sämtliches Leben ausgelöscht worden zu sein. Er vermutet die Ursache in einem „Effekt“, den das multinationale Geheimexperiment „Operation Flashlight“, an dem er mitarbeitete, unbeabsichtigt ausgelöst hat. Mit der Zeit droht er, ob der Einsamkeit den Verstand zu verlieren, doch dann begegnet er Joanne (Alison Routledge, „Twilight Love - Liebe aus dem Jenseits“), anscheinend die einzig überlebende Frau, mit der er sich zusammentut. Ihre Liaison verläuft recht harmonisch, bis sie den von neuseeländischen Ureinwohnern abstammenden Api (Pete Smith, „Die letzte Kriegerin“) kennenlernen…

Murphys Film beginnt offenherzig mit dem nackten Zac Hobson in seiner Wohnung, der erst nach sechs Minuten sein erstes Wort spricht. Mit wem sollte er auch reden? Scheinbar ist er der letzte Mensch Neuseelands. Die folgende halbe Stunde vergnügt er sich nach Überwindung seiner ersten Verwirrung mit diversen Dingen, von denen wohl jeder schon einmal heimlich geträumt hat (Erinnerungen an die Supermarktszenen aus „Dawn of the Dead“ werden wach) sowie einigen, die nun nicht unbedingt jeder machen würde – beispielsweise sich in Frauenkleidern in eine Kirche zu begeben und auf Jesus zu schießen oder sich Pappkameraden diverser historischer Persönlichkeiten aufzustellen und ihnen eine Rede zu halten. Zac dabei zu beobachten, wie er die Situation zunächst zu Spaßzwecken ausnutzt, um anschließend Gefahr zu laufen, vor lauter Einsamkeit verrückt zu werden, ist interessant und regt zu „Was wäre, wenn…“-Gedankenspielen an. Die postapokalyptischen Kulissen können sich auch ohne große Zerstörung sehen lassen und das bizarre Ambiente sichert sich die Aufmerksamkeit des Zuschauers.

Nach 35 Minuten begegnet Zac Joanne und zumindest eine Viertelstunde lang können sich beide ungestört gegenseitig Kraft und Halt geben und das tun, was Mann und Frau mitunter sonst noch so tun. Dann jedoch betritt Api die Handlung und die klassische, für mindestens einen i.d.R. undankbare Dreierkonstellation nimmt ihren Lauf, es kommt zu Konkurrenzdenken und Eifersüchteleien und unser Zac verliert seine Frau an den muskulöseren Api. Auf „kleinstem Raum“ exerziert der Film zwischenmenschliche Konflikte durch, ohne dass die Protagonisten Ausweichmöglichkeiten hätten. Das letzte Drittel des Films dient dann der Bewusstwerdung des „Effekt“ genannten Zwischenfalls, der Gründe für das Überleben des Trios und den Bestrebungen, einen drohenden weiteren „Effekt“ zu verhindern. Dankenswerterweise verzichtet „Quiet Earth - Das letzte Experiment“ auf ausuferndes Technik-Gebrabbel und pseudowissenschaftliche Exkurse, bleibt diffus und setzt auf vereinzelte surreale Sequenzen wie die der an Wänden hochgehenden Männer. Ein seltsames Ende von apokalyptischer Eleganz sorgt für ein einprägsames Bild, wirft jedoch mehr Fragen auf, als es beantwortet.

„Quiet Earth - Das letzte Experiment“ greift die Angst vor unkontrollierbarer Aufrüstung zu Zeiten des Kalten Kriegs und ihren möglichen Folgen auf und erinnert die Menschen daran, welch soziale Wesen sie allen Individualisierungstendenzen und kapitalistischem Materialismus zum Trotz sind, wie sehr sie die Anwesenheit anderer benötigen. Seine Science-Fiction-Geschichte kommt ohne viel Action und Spezialeffekte aus und ist nicht nur aufgrund der Sprachlosigkeit zu Beginn eher ruhiger Natur, bietet den makellos agierenden Schauspielern (der anscheinend von der Straße gecastete Pete Smith debütiert hier) dadurch Platz zur Entfaltung und, insbesondere für Lawrence, bestimmt auch Raum für Improvisation. Mit seiner inneren Logik nimmt er es jedoch nicht sonderlich genau (so sind z.B. manche Leichen zu sehen, die meisten aber verschwunden) und hat auch keine überzeugenden Erklärungen für das Geschehene anzubieten. Seinem Verzicht auf Nerd-Talk hat er leider auch nicht wirklich viel entgegenzusetzen und das Ende in irgendeinen Zusammenhang zu bringen, ist schwierig. Es sieht imposant aus und lässt großen Interpretationsspielraum, doch einen Reim darauf, weshalb (Achtung, Spoiler!) Zac an einem Strand aufwacht und offenbar den Saturn direkt vor sich hat, konnte ich mir nicht machen. Ich würde lügen, würde ich behaupten, mich angesichts dessen von jedem Gefühl der Unbefriedigung freimachen zu können und zücke das Schildchen mit der 6,5 für diesen nichtsdestotrotz sehenswerten, sympathischen Film, der mir zumindest nach meiner Erstsichtung als etwas überbewertet durch Genre-Fans erscheint.

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