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„Von jetzt an ist Schluss mit der Zivilisation!“

Nach einigen Stummfilm-Adaptionen startete die US-Produktionsfirma Metro-Goldwyn-Meyer 1932 unter Regie W. S. Van Dykes die erfolgreiche Tonfilmreihe um den auf Edgar Rice Burroughs' Abenteuerroman basierenden Dschungelhelden Tarzan, die zwölf Filme lang den ehemaligen Olympia-Sieger im Schwimmen, in Österreich-Ungarn geborenen Johnny Weissmüller in der Rolle des „Affenmenschen“ präsentieren und der Figur zu weiterer Popularität verhelfen sollte.

Großwildjäger James Parker (C. Aubrey Smith, „Sexbombe“) begibt sich im afrikanischen Urwald auf die Suche nach dem geheimen Elefantenfriedhof hinter dem „Berg des Schweigens“, um dort das Elfenbein zu plündern. Das Wiedersehen nach langer Zeit mit seiner Tochter Jane (Maureen O’Sullivan, „Stolz und Vorurteil“), die ihn begleiten wird, rührt beide zu Tränen. James' Partner Harry (Neil Hamilton, „Batman hält die Welt in Atem“) wirft ein Auge auf die attraktive Jane und gesteht ihr sein Interesse. Tatsächlich wird der Berg gefunden, doch der Aufstieg erweist sich als beschwerlich und ausgerechnet der Träger mit den Medikamenten stürzt in die Tiefe. Nach einiger Zeit trifft die Gruppe auf einen seltsamen, im Urwald lebenden Wilden, nur mit einem Lendenschurz bekleidet und keiner Sprache mächtig. Er liefert sich atemberaubende Kämpfe mit Raubtieren, aus denen er stets als Sieger hervorgeht, und lebt mit Affen zusammen. Jane stellt er sich als Tarzan vor...

Das erste Augenmerk der Zuschauer richtet Van Dyke neben den exotischen Kulissen auf die Irin Maureen O’Sullivan als Jane Parker, die nicht nur blendend aussieht, sondern auch selbstbewusst und auf sympathische Weise frech ist, wodurch sie etwas Humor in die Handlung einbringt. Dem damaligen Zeitgeist geschuldet ist indes sicherlich der Umgang mit den Schwarzafrikanern, die als Stammesangehörige vorgeführt und begafft werden wie Attraktionen. Der Film arbeitet hierbei offensichtlich mit Archivaufnahmen, vor die Jane & Co. geschnitten werden. Nach gut 20 Minuten kündigt sich dann Tarzan in Form seines gellenden Urwaldjodlers an, der seinen Ursprung in eben dieser ersten Tonverfilmung haben dürfte und zu der charakteristischen Eigenart Tarzans wurde. Bevor er jedoch auf der Bildfläche erscheint, zeigt Van Dyke den respektlosen Umgang der Expedition mit der Fauna: So wird ohne Grund auf harmlose Flusspferde geschossen, sowohl vom ohnehin rüpelhaften, in erster Linie auf seinen eigenen Vorteil bedachten Vater, als auch von Jane, die zwar die Harmlosigkeit der Tiere betont, jedoch trotzdem mir nichts, dir nichts auf sie zu feuern beginnt. Als ein Flusspferd unter das Floß der Schießwütigen schwimmt und es zerstört, ist man geneigt, der „Besatzung“ inklusive Jane den Tod zu wünschen, damit die Tiere wieder in Frieden leben können. Ich bin mir nicht sicher, inwieweit dieser Effekt beabsichtigt und evtl. schlicht der Vorlage geschuldet ist oder aber aus den vorausgegangen Szenen eine generelle Tierverachtung spricht und das Verhalten der Parkers und ihrer Handlanger als Normalität empfunden und dargestellt wurde.

Nach 30 Minuten sieht man erstmals Tarzan durch die Bäume springen. Johnny Weissmüller ist zweifelsohne ein großer Athlet und ein ebensolcher Schauspieler muss er hier als fast dialogloser Tarzan gar nicht sein, sieht jedoch in seiner Rolle mit seinem gepflegten, rasierten Körper kein bisschen wie ein Wilder aus. Das muss man ebenso hinnehmen wie seine grausame Tötung eines Leoparden, nur um vor Jane anzugeben. Ein Wechselbad der Gefühle, denn herzallerliebst ist wiederum, wie Tarzan ein Elefantenbaby aus einer Falle rettet. Der Film scheint generell die Tierwelt in „Gut“ und „Böse“ zu unterteilen, wobei Raubtiere und Karnivoren schlechte Karten haben und i.d.R. in der zweiten Kategorie landen. Nicht von der Hand zu weisen aber sind beeindruckende Szenen zwischen Tarzan und unterschiedlichen Tieren, aus denen vor allem die Kampfszenen hervorstechen, die sich jedoch nicht darauf beschränken; auch seine Freundschaft mit den Elefanten bringt immer wieder faszinierende Bilder hervor. Manche Aktionen Tarzans werden jedoch beschleunigt wiedergegeben, was albern, wie aus Stummfilm-Sketchen entlehnt, aussieht. Einen Keil zwischen Jane und ihrer Gruppe und damit ihren Vater treibt schließlich der Umstand, dass ihr Vater „Wilden“ wie Tarzan jegliche Menschlichkeit und Gefühle abspricht und Tarzans Affe er- und Tarzan angeschossen wird. Jane denkt nun um und positioniert sich gegen das Töten, womit die Charaktere des Films nun ihre zumindest zeitweilige eindeutige Unterscheidung in Sympa- und Antipathieträger erfahren. Obwohl Tarzan anscheinend erstmals in seinem Leben Weiße wie er einer ist sieht, sind es die Tiere, die sich rührend um ihn im verletzten Zustand kümmern, bis die Affen Jane zu ihm führen, die ihn verarztet. Recht schnell spult Van Dyke jetzt die sich entwickelnde Romanze zwischen beiden inkl. erster sprachlicher Gehversuche ab. Nichtsdestotrotz strotzt der weitere Verlauf natürlich nur so vor Zivilisationskritik, wenn sich Jane zurück bei ihrer Gruppe einsam und traurig fühlt.

Diese Gruppe wiederum wird nun von Pygmäen gefangengenommen, womit die Stunde im Grunde genommen vollends überflüssigen Schwachsinns schlägt. Die Zwergwüchsigen bringen einem großen Gorilla Menschenopfer (!), doch Tarzan kann das Untier im Kampf töten und Jane retten. Im Anschluss ruft er die Elefanten herbei, die die Pygmäen bekämpfen! Das war es dann aber auch mit der regen Phantasie, denn „Tarzan, der Affenmensch“ schaltet plötzlich um auf Tragik, wenn James einem verletzten Elefanten zum Friedhof folgt, der endlich gefunden, aber auch zu James' Grab wird. Ironie des Schicksals und eine symbolträchtige Parabel, die jedoch Jane nicht daran hindert, ihr Happy End mit ihrem Tarzan im Dschungel zu feiern.

Dieser erste Tarzan ist ein schönes Beispiel für einen Film, der in seiner filmhistorischen Bedeutung und Funktion relevanter ist als in seinen Inhalten, die gerade in diesem Debüt mitunter noch äußerst fragwürdig erscheinen und zumeist sehr durchschaubar auf schnelle, damals spektakuläre Unterhaltungswerte hin konzipiert wurden, widersprüchlich wirken und reflektierten erzählerischen Tiefgang vermissen lassen. Ein Unterhaltungsfilm also, der gerade in seiner eher unbedarften Herangehensweise viel über seine Zeit verrät, in einem Punkt jedoch eine besondere Wirkung entfachte: Die Darstellung einer knapp bekleideten, im Rahmen der damaligen Möglichkeiten nicht unerotisch in Szene gesetzten Jane, die sich mit einem fast gänzlich nackten „Wilden“ einlässt, dürfte besonders ein Publikum ab der Pubertät aufwärts angesprochen und eine Möglichkeit aufgezeigt haben, die Prüderie ein Stück weit, scheinbar zufällig, zu unterwandern. In der ersten Fortsetzung „Tarzans Vergeltung“ trieb man dieses Spiel noch weiter und zu Zeiten des Hays-Codes wurden Dschungelabenteuer zu einer guten Möglichkeit, die Zensur von Nacktszenen zu umgehen – weshalb ich diesen Film als Auftakt für meine Auseinandersetzung mit dem erotischen Film auswählte.

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