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Zu Unrecht ein Nischendasein fristend, darf „Phoenix“ mit Fug und Recht als Geheimtipp bezeichnet werden, dem die Kinoauswertung seinerzeit leider verwehrt blieb. Danny Cannon („Judge Dredd”, „ I Still Know What You Did Last Summer”), sonst eher sein solider Handwerker, schuf hier mit einem vorzüglichen Cast und dem tollen Skript von Eddie Richey einen absolut überzeugenden Cop-Thriller.

Einen Bärenanteil zum Gelingen trägt natürlich auch ein herrlich selbstzerstörerischer Ray Liotta („No Escape“, „Narc“) bei, der als spielsüchtiger Cop immer tiefer in die Scheiße rutscht und den Zuschauer hinter sich herzieht, während alles um ihn herum zusammenfällt.
Sein Harry Collins ist ein alleinstehender, abergläubischer Cop, der sich trotz seines wachsenden Schuldenbergs bei diversen Wettmachern seinen Prinzipien treu bleibt, aber nicht Herr seiner Laster wird, sich auch lange Zeit von seinem korrupten Kollegen Mike Henshaw (war nie besser: „Without a Trace“ – Star Anthony LaPaglia) nicht helfen lassen will und schließlich zum äußersten Mittel greift und den halbseidenen Geldverleiher Louie (Giancarlo Esposito, „King of New York“, „Ali“) überfällt – mit tragischen Folgen.
Collins Leben ist ereignislos, ihm fehlen soziale Bindungen, denn Wetten sind sein Inhalt. Um ihn herum muss er machtlos mit ansehen wie zum Beispiel auch auf seinen Vermieter die Gewalt übergreift.

Der Ton ist zynisch, die Bilder bedrückend und das Geschehen deprimierend. „Phoenix“ führt den Zuschauer mal wieder direkt und schonungslos die Kehrseiten der Gesetzeshüter vor Augen – zumindest was die schwarzen Schafe von ihnen angeht.
Dem eigentlichen Job wird nur noch halbherzig nachgegangen. Desillusioniert sind die Kollegen längst. Harry wird zu einem Notfall gerufen, als eine Frau ihrem Ehemann die Knarre an die Schläfe setzt und abzudrücken droht. Als er von ihr erfährt, dass er die zwölfjährige Tochter missbraucht hat, ermuntert er sie anstatt aufzuhalten und verlässt das Haus, nur um sich einen Moment später seines Jobs zu besinnen und angespannte Situation doch routiniert friedlich zu lösen.
Seinem korrupten Kumpel Mike interessiert das alles noch viel weniger. Er kassiert von dem Nachtclubbesitzer und Geldverleiher Louie kräftig, weil er für ihn eintreibt. Alles schön schmutzig also und selbst der ehrliche Fred (Jeremy Piven, „Judgment Night“, „Old School“) lässt sich in ihre illegalen Aktivitäten verwickeln, als sein undurchschaubarer Vorgesetzter Webber („24“ – Star Xander Berkeley) ihn mit Beweisen konfrontiert, dass seine Frau Katie (passend: Kari Wuhrer, „Anaconda“, „Eight Legged Freaks“) Mike vögelt.

Dreck hat also jeder von ihnen am Stecken und darin suhlt sich „Phoenix“ sehr genüsslich in einer desillusionierenden Stimmung und ebenso Trübsal blasenden Bildern, die entweder die Großstadt Phoenix in einen verregneten, dreckigen Moloch oder die Einöde der Wüste in ein stimmige Trostlosigkeit verwandeln.

Der ewige Loser Harry Collins steht dabei natürlich ständig im Vordergrund. Er toleriert die Korruptheit seiner beiden Kollegen Mike und James (ausnahmsweise mal brauchbar: Daniel Baldwin, „Vampires“, „Ancient Warriors“) zwar, will sie aber nicht mit ihnen teilen, sondern versucht zwanghaft sein Leben, das seine Spielsucht so durcheinanderbringt, wieder zu ordnen. Nachdem er die junge, aufgeweckte Veronica (damals noch unbekannt: Brittany Murphy, „Drive“, „Sin City“) schon zu Hause hat, dann jedoch nicht für einen One Night Stand vereinnahmt, sondern sich ihrer Mutter Leila (Anjelica Huston, „The Addams Family“, „Blood Work“) nähert, scheint Hoffnung für ihn zu bestehen, bis seine Geldschulden ihm ein Ultimatum aufzwingen.

Sicherlich nicht von ungefähr an der deprimierenden Stimmung des Film Noir orientierend, wird es mit zunehmender Laufzeit immer herber und dreckiger. Mike gewährt Schuldnern Aufschub, wenn deren unwissende Ehefrauen mit ihm schlafen oder schlägt auch schon einmal zu, wenn es sein muss. Gewissenlos und unmoralisch zieht er seine Bahnen, während für Harry die Luft immer dünner wird, man ihm einen Mordauftrag zur Tilgung seiner Schulden erteilt und er von Schlägern schon mal vorgewarnt wird. Dieser eigentlich gar nicht schlechte Mensch, dem die Umstände nur leider entgegenspielen, kann dem Zuschauer schnell Leid tun. Denn Niederschlag folgt auf Niederschlag und obwohl er sich immer wieder aufrappelt, um seiner eigenen seltsamen Moral zu folgen, die sich eine kriminelle Tat bis zur verzweifelten Ausweglosigkeit verbietet, kann er sich nicht aus dem Morast befreien.

Atmosphäre wird groß geschrieben während der Strudel von Gewalt und Kriminalität so ziemlich jeden Beteiligten packt und mit sich zieht. Die bisweilen lakonischen Dialoge sind pointiert wie intelligent und haben zeitweise die Qualitäten eines Tarantino wenn Gespräche zum Thema „King Kong“ das Geschehen dominieren. Freilich tragen dabei die einschlägig bekannten Locations wie Striplokale oder schmierige Bars ihren Teil bei.

Natürlich soll ein befreiender Coup alle ihre Probleme lösen. Doch der endet in einem blutigen, tragischen Desaster mit vielen Leichen und einer finalen Abrechnung Harrys, dem dann wirklich alles scheißegal ist, weil sein Leben ohnehin den Bach runtergegangen ist.
Mit diesem beeindruckenden Abgang bleibt „Phoenix“ nachhaltig im Gedächtnis hängen und braucht sich vor den Genreprimen auch gar nicht großartig zu verstecken.


Fazit:
Insgesamt also ein herrlich pessimistischer Blick auf die Gesetzeshüter der Großstadt, die aufgrund eigener Sorgen, Habgier und Spielsucht weit weniger ihrer Berufung folgen, als sie eigentlich sollten und zusammen in Kriminalität und Gewalt versinken. Dem anfangs noch funktionstüchtigen Leben aller Beteiligten werden kontinuierlich die existenziellen Standbeine abgeschlagen, bis sie final in ihr Verderben kriechen. Danny Cannons starke Inszenierung und das absolut überzeugende Drehbuch tragen ihren Anteil genauso zum Gelingen bei wie der stark spielende Cast (u.a. auch Tom Noonan und Giovanni Ribisi) – allen voran natürlich Ray Liotta. Unter ähnlich gelagerten Filmen sind solche geballten Ladungen von Tragik und Spannung leider keine Selbstverständlichkeit. Deswegen ansehen!

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