Der Buchhalter Blake (Johnny Depp) reist während der Zeit des Wilden Westens von Europa aus nach Amerika, genauer gesagt in das Kaff Machine, um dort eine Stelle zu bekommen. Doch die hat bereits ein anderer und Blake steht nun ohne Hab und Gut da. Es kommt noch schlimmer, als er mit einer ehemaligen Prostituierten schläft, wird diese von ihrem Verehrer erschossen, worauf Blake den Mann tötet. Blake wird fortan gejagt und flüchtet in die Natur, wo er den Indianer "Niemand" (Gary Farmer) trifft. Seine Flucht wird zu einem alptraumhaften Trip, von dem es kein zurück mehr zu geben scheint...
Jim Jarmusch bricht mit "Dead Man" sämtliche Westernklischees, die sich in unserem Gedächtnis manifestiert haben. Der Held der Geschichte, wenn es so einen überhaupt gibt, agiert als Fremdkörper in einer unbehaglichen Umwelt, was gleich am Anfang in der genialen Einführungssequenz deutlich wird. Die ersten zehn Minuten sind im Nachhinein meiner Meinung nach betrachtet die besten des gesamten Films, zeichnet sich bei genauerer Beobachtung doch da schon ab, wo das unausweichliche Schicksal Blakes hinsteuert.
Nach seiner Ankunft wird weiter verdeutlicht, dass Blake in Machine absolut fehl am Platze ist. Er als sauberer Buchhalter in einem Städtchen, das trostlos, verrucht und sündig wirkt. Jarmusch inszenierte auch diese Sequenz meisterhaft, der Kunstcharakter des Films wird zunehmend bedeutsamer. Richtig zur Geltung kommt das erst ab der Flucht Blakes in die Natur. Dem Zuschauer schwebt eine metaphorische Welt vor Augen, gekennzeichnet von einer surrealen und alptraumhaften Bildsprache. Manche Szenen sind echte Kunstwerke und bleiben unvergesslich. Durch die Identität des Namens des Hauptakteurs mit dem berühmten Dichter William Blake kommt die poetische Grundhaltung des Films noch besser zur Geltung.
Nach einem Sinn zu suchen, ist zwecklos, man kommt kaum dahinter, was Jim Jarmusch mit dieser Geschichte beabsichtigte, außer einen Abgesang auf Westermythen zu inszenieren. Dies ist ihm sicher gelungen, doch stellenweise ist sein Stil widersprüchlich. Die Story läuft in Parallelhandlungen ab, in einer Blake, der eine zunehmend surrealer werdende Welt auf sich zukommen sieht, in der anderen die drei Kopfgeldjäger, die sich gegenseitig dezimieren. Diese beiden Geschichten passen überhaupt nicht zueinander, da eine wie ein irrer Trip wirkt und die andere eher makaber-humorvoll abläuft. Da wäre in etwa die Goreszene mit dem eingetretenen Kopf, die nett anzusehen, aber überflüssig ist. Oder Sätze wie "Jetzt stehen wir genauso gefickt da wie ‘ne Nutte anch dem Zahltag" sind zwar lustig, aber passen nicht in den Kontext.
Spannend ist die Sache nicht immer. Vor allem gegen Ende kommt des öfteren Langeweile auf, weil man häufiger nicht weiß, was die jeweiligen Bilder aussagen sollen. Jarmusch spricht in Metaphern, die verstanden werden wollen, hier ist etwas Interpretationskunst gefragt. Für Freunde intellektueller Kost dürfte "Dead Man" ein wahrer Festschmaus sein, was durch die abstrakte Musikuntermalung von Neil Young zusätzlich verstärkt wird, der typische Westernklänge mit krachender E-Gitarre hinschmettert.
"Dead Man" ist nur stellenweise ein Meisterwerk, aber insgesamt gesehen nichts ganz großes, da Jarmusch in seinem Stil zu inkonsequent ist. Wer jedoch mal was ganz anderes sehen will und bereit ist, nicht alles verstehen zu müssen, dem sei zu diesem irren Westerntrip geraten. Ein grandioser Hauptdarsteller und zahlreiche sehenswerte Cameos tragen ihr übriges bei.