Auf den Punkt Medium Rare, wie ein T-Bone
Der (Blockbuster-)Kinosommer 2016 war vornehm gesagt müde. Doch "Hell Or High Water" riss mich aus dem Molloch an Mittelmaß. Und ich konnte einfach nicht warten, bis er über ein halbes Jahr später erst hierzulande startete, wo ich ihn mir nun zum zweiten Mal ansehen durfte. Diesmal zum Glück, durch das texanische Genuschel, mit Untertiteln. Was für ein Brett von Film! Ich hoffe inständig, dass er doch noch irgendwie eine Außenseiter-Chance bei den Oscars hat, denn er zählte zum allerbesten, was man letztes/dieses Jahr auf der Leinwand erleben konnte/kann. Ein Mix aus "No Country For Old Men", "Heat", "Bonnie & Clyde" oder auch dem Hauch von Endzeit ala "The Rover", macht im Endeffekt jedoch sein eigenes Ding & würde Tarantino stolz machen. Und das ohne dessen oft überzogene, aufgesetzte Coolness. "Hell Or High Water" ist von Natur aus cool wie die Hölle.
Ein pfeifender Thriller-Dampfkessel live aus der Hitze von Texas. Die Städte verfallen, die Cops schlendern umher, die Indianer verkommen, die Banken zocken ab & mittendrin zwei Brüder die eine Bank nach der nächsten überfallen. Ihnen immer dicht auf den Fersen, eine weiteres köstliches Buddy-Duo - und egal wieviel es zu lachen gibt, wie lässig die Countrymusik oder wie unfassbar pointiert die Dialoge schneiden: die Spannung steigt langsam aber unaufhaltsam, bis zu einem letzten Akt, der alles umsetzt & nutzt, was das clevere Script in Kleinstarbeit vorher mit meisterhafter Charakterzeichnung aufgebaut hat. Zwei konträre Buddy-Comedies, in der Prärie & in einem Katz-&-Mausspiel auf Leben & Tod. Wahnsinnig gut, mit absolut allen Zeichen auf Klassiker stehend.
Hier addieren sich alle Komponenten zu einem Potpourri, dass einem klar macht, warum man das Kino liebt. Das größte Lob müssen wohl Regisseur David Mackenzie & Drehbuchschreiber Taylor Sheridan ernten. Ersterer empfiehlt sich für noch Größeres & man will ab jetzt keinen seiner weiteren Schritte verpassen. Und Sheridans Script ist eins der feinsten, schnittigsten & lässigsten, dazu noch schlausten & gesellschaftskritischsten seit Langem, sodass spätestens jetzt klar ist, dass seine Vorlage für "Sicario" kein Ausrutscher nach oben war. Wie lustig der Film ist, hat mich riesig überrascht. Wie gut die Besetzung harmoniert, hätte ich mir nicht erträumt. Wie heruntergekommen & gleichzeitig atemberaubend schön Texas sein kann (obwohl gar nicht in Texas gedreht!), fasziniert endlos. Ich finde bei "Hell Or High Water" kein Haar in der Suppe & will auch gar nicht danach suchen. Ein Gourmethappen, nicht nur für Neuzeit-Desperados!
Ein starkes, unberechenbares & auf dem Boden gebliebenes Stück Heistkino, dessen viele Ebenen & der unsterblich gute Cast, ihn scheinbar von Sichtung zu Sichtung besser machen. Und ich könnte ihn, trotz (wirkungsvoll & löblich) gemächlich aufgebautem Tempo, sofort nochmal gucken. Selbst der countrylastige Soundtrack rockt, selbst Captain Kirk überzeugt wie noch nie, selbst der immerfiese Ben Foster ist hier sympathisch genug. Kein schwarz oder weiß, nur glaubhafte Charaktere & ein Jeff Bridges in Höchstform. Der Dude wie man ihn sehen will. Er stiehlt jede Szene & seine freche Beziehung zu seinem (ebenfalls genial gespielten) Partner, ist nur einer von vielen Schokostreuseln auf diesem Shake. Oder hier besser: Pfefferkörner auf dem perfekten Steak.
Fazit: schon jetzt einer der besten Western des neuen Jahrhunderts. Wie cool hier die Balance aus allem gehalten wird, was gute Filme auszeichnet, ist schlicht eine der positivsten Überraschungen des Jahres. Ein überragender & vielseitiger Neo-Western, von B wie Bruderliebe über F wie Finanzkrise bis Z wie Zum-Glück-gibt-es-noch-gute-Scripts-in-Hollywood - Endzeitstimmung in bad ol' Texas!