Paris. Die 27jährige Maureen ist Modeexpertin und Medium zugleich. Tagsüber wird sie von ihrer Chefin, einer für den Zuschauer gesichtslosen Promi-Frau, hin- und hergescheucht und muss auch schon mal als Body-Double für sie herhalten. In ihrer knappen Freizeit bemüht sich Maureen um Zugang zu der für sie ganz selbstverständlichen Geisterwelt. Ganz besonders erhofft sie sich davon Kontakt zu ihrem erst kürzlich verstorbenen Zwillingsbruder, der an einem angeborenen Herzleiden litt, von dem Maureen annimmt, dass auch sie ihn hat. Als ein reger SMS-Verkehr mit einer ihr unbekannten Person beginnt, glaubt Maureen, den erhofften Kontakt zu haben…
Arthouse goes Genre. Mit dieser eigenwilligen Mixtur aus Kunstfilm, Kopfkino und Geister-Thriller versucht Kristen Stewart zum wiederholten Mal ihren „Twilight“-Nimbus zu überwinden und sich weiter als ernstzunehmende Schauspielerin zu etablieren. Und für Regisseur Olivier Assayas ist „Personal Shopper“ eine willkommene Gelegenheit, sich in (zumindest milden) Hitchcock-Gefilden auszuprobieren. So zumindest kann man den – wie eingangs bereits bemerkt – eigenwilligen Film eintakten: quasi als eine Art Identitätssuche mit „Vertigo“-Touch. Die innere Verunsicherung, die die Figur der Stewart durch ihre Trauer aber auch durch ihr ständiges Hineinschlüpfen in ihre Chefin, beschleicht, wird greifbar gemacht, schnell blickt ihr der Zuschauer nicht mehr nur distanziert über die Schulter sondern lässt sich von den merkwürdigen Stimmungen vereinnahmen und sieht das Geschehen mehr und mehr durch fremde, weil Maureens Augen. Ein ganz besonderer Kniff dabei ist, dass die Kamera der Hauptdarstellerin (fast) nie von der Seite weicht und man kaum eine Chance hat, sich dem Ganzen zu entziehen. So verlassen die Bilder von „Personal Shopper“ auch ohne jedwede POV-Einstellung schnell den Posten unbeteiligter Beobachtung. Dass dabei manches schleppend langsam passiert oder man minutenlang in einer unbedeutend gewähnten Szene verweilt, ist Kunstgriff und Handschrift zugleich, denn nur so war es möglich, dass diese Art Sogwirkung entsteht, die „Personal Shopper“ für aufgeweckte Zuschauer so interessant werden lässt – soweit man bereit ist, sich in Zeiten von CGI-Overkill und Tempo-Inszenierungen auf Entschleunigung und Minimalismus einzulassen. Fazit: nicht umsonst in Cannes gekrönt, doch auf vordergründige Mainstream-Spannung setzende Genrefans sollten gewarnt sein. Bildformat: 2,35:1. Des weiteren mit Lars Eidinger, Sigrid Bouaziz, Ty Olwin u. a.
© Selbstverlag Frank Trebbin