"Captain Fantastic" ist ein fantastischer Film, aber warum er gerade "Fantastic" heißt und wer jetzt genau der "Captain" ist, hat sich mir beim Schauen nicht erschlossen. Auch gibt es keine direkte Nennung des Namens im Film selber, die darüber Auskunft geben könnte. So bleibt dies ein Rätsel, das der Zuschauer selber für sich lösen darf. Aber selten habe ich einen Film gesehen, bei denen die Werbetexte auf der Hülle so zutrafen wie hier. "Anrührend, intelligent und humorvoll" stimmt, es gibt Szenen, da füllen sich die Augen mit Tränen der Rührung, um danach wieder einem befreienden Lachen Platz zu machen. Damit ist der Film auch "herzerwärmend und außergewöhnlich" (das zweite Zitat auf der Hülle). Schlussendlich stimmt auch das dritte Zitat "Viggo Mortensen ist großartig" (wer ihn mal singen hören möchte, hat hier die Gelegenheit).
Aus Überzeugung ziehen Ben und seine Frau ihre sechs Kinder vernab der Zivilisation in der Wildnis groß. Da erkrankt seine Frau und geht zur Behandlung zurück zu ihren Eltern in die Stadt. Als sie stirbt, muss die verbliebende Familie eine Entscheidung treffen, fahren sie zur Beerdigung der Mutter oder nicht. Der Großvater hat am Telefon gedroht seinen Schwiegersohn verhaften zu lassen, wenn er auftauche. Dennoch verlässt Ben mit seinen Kindern die "Aussteigeridylle" mitten im Wald und macht sich auf den Weg zurück in die Zivilisation. Hierbei gibt es für die Kinder viel Neues zu entdecken.
Es beginnt ein Roadmovie, das mal den umgekehrten Weg beschreibt, von der Wildnis in die "zivilisierte" Welt zurück. Dieser Weg beschreibt aber auch die Trauerarbeit, die die Familie dabei bewältigt, bis sie am Ende den letzten Wunsch der Mutter erfüllen kann. Natürlich gibt es neben den großen familiären Konflikten (vor allem mit dem Großvater), auch die alltäglichen Pubertätskrisen, die bewältigt werden möchten. Dahinter wird zudem noch ein größerer Konflikt deutlich, der zwischen den Freiheitsidealen des Aussteigers Ben und dem Leben in gesicherten und geordneten Verhältnissen, halt in der Zivilisation.
Großartig wird die Rolle des Familienvaters von Viggo Mortensen gespielt, der in einer Szene auch komplett im Adamskostüm zu sehen ist (vielleicht der Grund, weshalb der Film in den USA "Rated" ist?!). Aber vor allem die Kinderrollen können hier sehr überzeugen. Ihre Leistung kann nicht überbewertet werden und ist im Spiel differenziert und immer den Rollen angemessen. Hier hat das Casting einen guten Job gemacht. Hervorheben möchte ich an dieser Stelle noch Frank Langella als Großvater (er muss über weite Strecken den Unsympathen mimen) und George MacKay als Bens ältester Sohn Bodevan (vielleicht eine der schwierigsten Rollen im Ensemble).
Regisseur Matt Ross, der gleichzeitig auch der Drehbuchschreiber ist, hat insgesamt einen sehr guten Film abgeliefert, wobei ein paar Fragen am Ende offen bleiben. Zum Beispiel fragt man sich, wie die Familie in der Wildnis die ganze Zeit überlebt hat, welche finanziellen Mittel hatte sie zur Verfügung? Der Verkauf von Vogelhäusern mag hier nicht reichen. Und natürlich, wieso heißt der Film eigentlich "Captain Fantastic"?
Egal, diese Fragen berühren den Zuschauer nur am Rand, dafür rührt die Handlung aber um so mehr sein Herz. Wir als Familie empfehlen diesen Film nicht nur anderen Familien. Wer kluge Unterhaltung auf hohem Niveau wünscht, wird hier bestens bedient.