Review

Nach »Der Wald vor lauter Bäumen« und »Die anderen« ist dieses Maren Ades dritter Spielfilm, bei dem sie ebenso das Drehbuch geschrieben und Regie geführt hat.

»Toni Erdmann« erzählt die Geschichte einer aufs Abstellgleis geratenen Vater-Tochter-Beziehung. Vater Winfried (Peter Simonischeck) ist ein Alt-68er und pensionierter Musiklehrer mit schrägem Humor und Tochter Ines (Sandra Hüller) ist eine taffe und erfolgreiche Geschäftsfrau.

Ines arbeitet als Unternehmensberaterin in Rumänien und auch bei den seltenen Treffen scheint sie permanent mit Smartphone und ihren Geschäftsprojekten beschäftigt. Winfried besucht überraschend seine Tochter in Bukarest, die erst eher genervt reagiert und peinlich berührt ist. Im Kern geht es bei »Toni Erdmann« um Lebensentwürfe, die Frage, was ein glückliches Leben ausmacht und Moral. Hört sich wenig spannend an, aber was Maren Ade daraus macht ist mutiges Kino mit Tiefgang. Plumpe Zeigefinger-Belehrungen sucht man hier vergebens. Der schräge Humor spielt eine ganz wichtige Rolle in dem Film, es ist allerdings überhaupt nicht der Humor, den man aus deutschen Komödien kennt. In seinen besten Momenten transportieren die absurden Szenen, von denen es reichlich gibt, eine tiefere emotionale Ebene. Auch das der Film nie konstruiert wirkt oder unangenehm menschelt, rechne ich ihm ganz hoch an.

Man merkt im Gegensatz zu »Toni Erdmann«, wie saft- und kraftlos deutsches Kino oft ist und wie oft die immergleichen Trampelpfade eingeschlagen werden und zwar deshalb, weil sie funktionieren und man das Publikum nicht verunsichern will. Dagegen ist »Toni Erdmann« ein frischer Wind im muffigen Bierzelt der deutschen Filmproduktionen. Winfried ist eben nicht der typisch lustige und schrullige Alte. Das Ende ist nicht negativ, aber eben auch kein Heile-Welt-Schluss. Der Film schafft das kleine Wunder, leicht zugänglich und subversiv sowie abgedreht aber nicht albern zu sein.

Die Laufzeit ist mit über zweieinhalb Stunden für eine deutsche dramatische Komödie ungewöhnlich lang. Langweilig wird »Toni Erdmann« nie und der Film fühlt sich eher nach Standard-Spielfilmlänge an, auch weil in der letzten halbe Stunde noch  einmal eine Schüppe draufgelegt wird. Was da an Absurdität über die Leinwand flimmert, sucht seinesgleichen. Das ist brachial und poetisch zugleich, mit einem guten Schuss Alltagssurrealismus.

Ein wirklich ganz fantastischer, lustiger und berührender Film, den Maren Ade da auf die Beine gestellt hat, unterstützt vom genialen Schauspielerduo Hüller und Simonischeck. Beim Abspann, der mit Musik von »The Cure« unterlegt ist, fühlt man sich angeregt wie nach einem Glas Sekt. Das Publikum bei der Deutschlandpremiere in der so gut wie ausverkauften Lichtburg in Essen war ebenfalls begeistert.

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