Nachdem John Woos („Hard-Boiled“, „Paycheck“) Hollywoodeinstand „Hard Target“ nicht den gewünschten Erfolg erzielte, brauchte er ganze drei Jahre, um wieder einen Film ins Kino zu hieven. Eins war klar: Wenn das wieder nichts werden würde, konnte er den Schwanz einziehen und nach Hongkong zurückehren. Deswegen ist „Broken Arrow“ auch ein Film voller Kompromisse. Das macht ihn zu einem schlechten Beitrag, doch Woo musste, damit der Film nicht von vorneherein zum Scheitern verurteilt war, auf Nummer Sicher gehen und seinen Stil dem westlichen Publikum anpassen. Finanziell lief das letzten Endes zwar auf Plusminusnull heraus, doch wie wir wissen, durfte er mit „Face/Off“ wieder zu alten Tugenden zurückkehren.
Als Fan von spektakulären Actionorgien kann man mit „Broken Arrow“ mehr als nur zufrieden sein. Woo hat in all den Jahren nichts verlernt und zeigt auch hier, dass ein begabter Regisseur den Unterschied macht. Ich wage zu behaupten, dass auch eine Michael Bay nicht mehr aus dem Stoff herausgeholt hätte.
Als Aufhänger dient hier die wohl imposanteste Waffe der amerikanischen Militärstreifkräfte: Der Stealthbomber. Als während eines Testflugs eins dieser mit Atombomben bestückten, Flugzeugen von Major Vic Deakins (John Travolta, „Face/Off“, „Basic“) bruchgelandet wird, entbrennt in der hitzigen Wüste von Utah zwischen ihm und seinem Copiloten Captain Riley Hale (Christian Slater, „Der Name der Rose“, „Hard Rain“) ein Kampf auf Leben und Tod.
Travolta ist dann am besten, wenn er den selbstherrlichen, zynischen Soziopathen spielen darf. Das gibt ihm grundsätzlich die Gelegenheit jede Szene an sich zu reißen, mit trockenen Kommentaren zu glänzen und ganz überzogen den Bad Guy zu mimen. In „Broken Arrow“ erhält er eine dieser Rollen, die für ihn wie maßgeschneidert scheinen. Alle Eventualitäten längst vorausplanend, unverfroren, skrupellos und zielstrebig das Missionsziel verfolgend, spielt er sich hier in einen Rausch, dem niemand etwas entgegenzusetzen hat – auch nicht Christian Slater, der uncharismatische Schwachpunkt des Films, der immer öfter zwischen A- und B-Movie wandelt. So namhaft der Supportcast um Delroy Lindo („Gone in Sixty Seconds“, „The One“) und Bob Gunton („Demolition Man”, „Bats”) auch ist, „Broken Arrow“ bleibt eine Travolta-Show und Woo lässt ihn gewähren.
Denn Woo hat genug mit seiner Zerstörungsorgie zu tun und legt hier alles in Schutt und Asche, was nicht niet- und nagelfest ist – die Zündung einer Atombombe ist da noch das Unspektakulärste. Auseinandersetzungen mit Kampfhubschraubern, edel durchchoreographierte Shootouts, spektakuläre Pyrotechnik und Verfolgungsjagden mit Hummern – Woo bringt das volle Programm und es sieht verdammt gut aus. Eine Portion Seelenlosigkeit muss ihm zwar vorwerfen, aber dem Unterhaltungswert schadet das kaum. Seine traditionellen Themen Freundschaft, Verrat und Rache lassen sich hier zwar auch wiederfinden, werden aber weitaus oberflächlicher als in seinen früheren Filmen behandelt.
Während Hans Zimmers ausgezeichneter, in „Scream 2“ übrigens wiederverwerteter, Score auch in den wenigen ruhigen Momenten den richtigen Ton trifft und die Szenen der ratlosen Militärstrategen im Pentagon auf ein Minimum heruntergefahren werden, dreht Woo die Action immer weiter auf. Die blutigen Shootouts halten sich, da „Broken Arrow“ um Publikumstauglichkeit bemüht ist, zurück, sind aber vorhanden – derbste Angelegenheit ist aber ein von einem Hubschrauberotor zersäbelter Henchman – apropos, der wohl markanteste Handlanger Travoltas ist Ex-Footballer Howie Long („Firestorm“, „3000 Miles to Graceland“) in seiner ersten Filmrolle. Wer sich im übrigen über die R-Rated-gerechte Inszenierung aufregt, kann mir gern mal erklären, wie so ein Film mit höherer Einstufung sein Budget sonst wieder einfahren soll.
Der Skeptiker kann sich über die schier übermenschliche Hellsichtigkeit Travoltas aufregen, aber mit der Logik haben es Actionfilme erfahrungsgemäß selten und deswegen heißt es auch bei „Broken Arrow“ Hirn aus. Wenn es etwas auszusetzen gibt, dann ist es die Figur der Parkrangerin Terry Carmichael (Samanta Mathis, „Attraction“, „The Punisher“). Dieses weinerliche, zarte Häschen, so chauvinistisch das jetzt auch klingen mag, hat in diesem testosterongeschwängerten Männerfilm leider nichts verloren und nervt mehr als nur einmal.
Inszenatorisch ist Woo bei „Broken Arrow“ wirklich kaum etwas vorzuwerfen. Der Materialverschleiß ist nicht nur hoch, sondern auch spektakulär gefilmt, die Explosionen wirklich vom Allerfeinsten und die dynamischen Stunts weit über dem, was die amerikanischen Kollegen, abgesehen von ein paar Ausnahmen, auf diesem Gebiet zustanden bringen. Insbesondere die agile Kameraführung und schicken Landschaftsaufnahmen machen darauf aufmerksam, dass hier ein Meister seines Fachs am Werk war. Das obligatorische, beidhändige Ballern und cooles Zeitlupenposing des Antagonisten gehören wie eine Selbstverständlichkeit ebenfalls zum visuellen Repertoire.
Natürlich ist das Gezeigte letzten Endes nur eine Neuanordnung bekannter Elemente. Die Kreativität ist nur in der Inszenierung wiederzufinden. Ob unter Tage, in der Luft, auf dem Wasser oder im Zug, Woo knöpft sich hier jede Location zügig vor und holt das Maximale heraus. Insbesondere das Finale auf dem dahinrasenden Zug ist als Leckerbissen für den Actionfan zu erwähnen. Was dort an Stunts und Pyrotechnik serviert wird, sorgt für schnalzende Zungen.
Fazit:
Erstklassig inszenierter Actionthriller von John Woo, der hinsichtlich seines löchrigen, diverse Zufälligkeiten begünstigenden Plots ein zu vernachlässigendes Manko besitzt und mit zwei schwachen Charakteren zu kämpfen hat, ansonsten aber auf voller Linie überzeugt. Woos lässt hier ein abwechslungsreiches, sehr gut inszeniertes Actionspektakel vom Stapel, das nicht mit optischen Vorzügen geizt. Der Actionfan macht hier jedenfalls nichts falsch.