Review
von Leimbacher-Mario
Für alle die Jane Austen sonst nicht abkönnen
Ich würde mich nicht wirklich als Jane Austen-Fan outen. Von Whit Stillman kenne ich bisher viel zu wenig. Und bei Kostümdramen muss schon die oberste Klasse ala "Downtown Abbey" her, um mir Spaß zu machen. Warum gehe ich trotz allem in Stillmans Jane Austen-Verfilmung "Love & Friendship"? Um genau so eine positive Überraschung zu erleben! Man, was mag ich dieses quirlige Gegenteil zu einem Kostümschinken. Als ob man "Gilmore Girls" mit Woody Allen & "Stolz & Vorurteile" kreuzt - eine Neuinterpretation a la bonheur, selbst (oder gerade) für Leute, die mit solchem Stoff eigentlich gar nichts anfangen können. Eine wunderbar positive Überraschung zur Jahreswende, die völlig zu recht in Großbritannien schon im Sommer Einschlug wie eine Bombe. Mit unverschämt cleveren Dialogen, exquisitem Ambiente & Darstellern von Format, Schönheit & Freude.
"Love & Friendship" kombiniert Moderne mit klassischer Weltliteratur ohne zu billiger Satire zu werden. Whit Stillman + Jane Austen ist eine himmlische Kombination. Niemand auf der Welt hätte das momentan wohl geschickter & interessanter gestaltet als der hippe Oberschichten-Karikaturist, dessen wenige Werke ich mir auf jeden Fall in Bälde mal genauer ansehen sollte. Denn außer "The Last Days of Disco" blieben sie von mir bisher leider sträflich missachtet, trotz Criterion-Zugehörigkeit. Das muss sich ändern! "Love & Friendship" ist kurz, knackig & so pointiert, dass man sein Lächeln eigentlich über die komplette, erfreulich überschaubare Laufzeit nicht mehr abnimmt. Ein Fest für gehobenen Humor & ein Feuerwerk an Witz & Sprache & Unverschämtheit. Mein Kino war gefüllt mit alten Leuten - doch das sollte nicht so sein! Denn vor allem meine Generation würde diesen Ausbruch von Upperclass-Wahnsinn in einer sonst so steifen Welt lieben. Nicht ganz perfekt vermarktet, um es vorsichtig auszudrücken.
Erzählt wird die unterhaltsame Geschichte der Lady Vernon - die sexieste, unverschämteste & bezauberndste "Bitch" in der britischen Oberschicht. Die gerade verwitwete Manipulantin, ist mit allen Wassern gewaschenen & eine der gewieftesten "Bösewichte" der jüngeren Filmgeschichte. Sie verdreht nicht nur um Film einigen Herren den Kopf. Selten gewann mich eine so hinterhältige, egoistische & gemeine Frau so schnell & bleibend für sich. Kate Beckinsale ist hier so gut, dass seichte Popcorn-Desaster ala "Van Helsing" oder einige "Underworld"-Teile, wie weggeblasen erscheinen. So schön, so clever, so schlagfähig - ein talentierter Superstar, der viel öfters solche anspruchsvolleren Filme & Rollen machen sollte. Kate ist spätestens jetzt unverschämt unterschätzt! Unterstützt durch prachtvolle Kulissen, dem spritzig-perfekten Script & einem Darstellerensemble mit Nebenfiguren, die lange im Gedächtnis bleiben & köstlich amüsieren, macht sie diese lose Literaturverfilmung mit losem Mundwerk absolut sehenswert. Schwerer Stoff wird zu leichter Kost - genial! Gegen Ende wirkt der Film etwas gehetzt & abgeschnitten, was mein einziges Manko in einer sonst makellosen Vorstellung ist.
Fazit: die exquisiteste, modernste & coolste Jane Austen-Verfilmungen aller Zeiten. So pfiffig, sexy & intelligent war Kostümdrama noch nie!