„Flucht ins 23.Jahrhundert“ ist, trotz seines irreführenden und dämlichen deutschen Titels, einer der Lieblingsfilme vieler, die in den 70er oder 80ern aufgewachsen sind. Es ist schwer zu ergründen, was den Film (neben dem übermächtigen „Star Wars“) so einen Spaßfaktor verliehen hat, aber möglicherweise ist es schlicht und ergreifend die Plot-Idee einer Gesellschaft, die nur noch zum Spaß lebt, um sich mit 30 Jahren erneuern zu lassen. Der perverse Gedanke, daß die Leute lediglich in religiöser Entzückung exekutiert werden, macht die Suche des Sandmans Logan 5 und der Systemgegnerin Jessica nur noch interessanter, denn als Zuschauer ahnt man den Betrug und das Wettrennen gegen die Zeit.
„Logan’s Run“ ist ergo die Quersumme der SF der ausgehenden 70er-Jahre. Die Zeit der kritischen SF war langsam vorbei und obwohl dem Film eine noch wesentlich kritischere Vorlage zugrunde liegt, bietet er bereits die Schauwerte der Star-Wars-Generation oder versucht das wenigstens (obwohl er vor Star Wars startete). Der Grimm von Filmen wie „Der Omega-Mann“ oder „Soylent Green“ wirkt hier schon reichlich aufgeweicht, die gesellschaftskritischen Aspekte sind nicht allgegenwärtig, sondern müssen zusammengesucht werden. So könnten die Sandmänner sowohl für das Militär als auch für die allgemeine Staatsmacht stehen, die von einem Computer als eine Art „Big Brother-Variante“ verkörpert wird. Das Volk lebt im Unklaren über seine tatsächliche Situation, obwohl sich der Grund für die Isolation der Menschen inzwischen schon überlebt hat.
Trotzdem hat die Grundsituation etwas Spielerisches, Leichtes. Anhand der Kostüme kann man noch die Nähe zur Hippie-Generation feststellen (die Poncho-ähnliche Kleidung weist deutlich darauf hin), doch der Spaßfaktor spricht eigentlich jede Generation an. Der Prozeß der Bewußtwerdung, der Prozeß des selbständigen Denkens verspricht ein härteres Leben, aber eben auch mehr Freiheiten und damit mehr Zeit.
Der Sympathiefaktor spielt dabei eine sehr große Rolle bei der Rezeption. Wer würde nicht gern lediglich zum Spaß leben und selbst die kristalline Lebensuhr, die jeder in der Handfläche trägt ist wie ein reizvoller Modefaktor. Die Bewußtwerdung der drohenden Gefahr des Todes erfolgt für den Zuschauer parallel zum Protagonisten. Logan wird für seinen Auftrag die Uhr verstellt und das System zeigt seine Schattenseiten. Plötzlich wechselt der Betrachter die Seiten, fiebert mit in der Jagd auf das Pärchen auf ihrem Weg in die Außenwelt. Und dort werden sie sichtlich zu einer Art „Adam und Eva“, komplett mit Erbsünde (Logans Mord an Francis, der in dieser Form und Härte nicht nötig scheint) und gottähnlicher Vaterfigur (Peter Ustinov als einsamer alter Mann mit lichten Momenten in einer denkwürdigen Gastrolle).
Im Wesentlichen wirkt „Logans Run“ aber über seine Schauwerte, die seinerzeit auch mit einem Oscar belohnt wurden. Schaut man ein Jahr später auf die Effekte des Lucas-Epos, kann man sich eines hämischen Grinsen jedoch nicht erwehren, denn bei allem Spaß, den diese knallbunte Utopia-Expedition macht, werden hier doch nicht selten starke Unzulänglichkeiten sichtbar.
Unbestritten: das von der Vegetation überwucherte Washington ist ein absolutes Highlight der Filmgeschichte (beim Lincoln-Memorial bin ich immer wieder begeistert) und der Award verdient, der Rest jedoch macht Schwierigkeiten.
Da wäre zu allererst das riesenhafte Modell der Zukunftsstadt, eine wahre Errungenschaft der Technik, aber....leider, leider...allzeit ersichtlich nur ein Modell. Da bewegt sich nunmal niemand, außer den rauschenden Bahnen und auch die Zukunftsklänge können da wenig retten. Die Sets sind relativ aufwändig gelungen, aber die Schwebeeffekte im „Karussell“ sind nur mäßig. Die Energiewaffen sind geradezu putzig mit ihren kleinen Brennsätzen an Lauf und in den „Zielen“. Der „Liebeslift“ ist eine Albernheit sondergleichen und die Abschnitte, in denen sich Läufer verstecken sind zwar etwas besser, lassen aber die Frage offen, warum das System der Sandmänner sie da nicht aufspüren kann.
Hapern tuts vor allem in der Eishöhle des Roboters Box, der in seiner silbernen Weißblechaufmachung mit Mundöffnung an die schlimmsten SF-Heuler der 50er erinnert. Der finale Zusammenbruch der Eishöhle ist sicherlich der geschludertste Moment des ganzen Streifens, wenn Rückprojektionen von fallenden Eisbrocken einfach ÜBER die Schauspieler gelegt werden und man nicht erfährt, wie Logan einerseits den Roboter ausgeschaltet hat und andererseits den Zusammenbruch überlebt.
So ein paar Logiklöcher gibts sowieso, denn die Existenz Verbannter in der sogenannten Kathedrale wird ebensowenig erklärt (man erfährt nur, daß es Schwerverbrecher sein sollen, es sind aber alles Jugendliche) und auch die Auflösung des Konflikts, der zur Zerstörung des Computers führt, läßt den Zuschauer nur wie toll raten, ob Logan da jetzt mittels einer psychischen Blockade die Resettaste drückt oder ob es die reine Wahrheit ist, die der Computer nicht akzeptieren kann und sich somit selbst vernichtet.
Trotzdem macht der Film gerade wegen solcher kleinen Unzulänglichkeiten einen Höllenspaß, wenn auch das Finale relativ unspektakulär ist und mit der Überzeugungsarbeit eines wachen Geistes einfach mal ein Riesencomputer zu Tode argumentiert wird, der (gott, wie praktisch) gleich die komplette Zukunftsstadt vernichtet. Er hat einfach Flair und Atmosphäre und eine fast kindliche Freude an seiner gleichermaßen komplexen wie naiven Story. Und in den 80ern war das natürlich das Größte seit Slimie, Ed v. Schleck und der neuen Duran Duran-Platte.
Ich weiß, es ist albern, aber ich mag ihn so, wie er ist. (8/10)