Review

Auch wenn er in den Siebzigern gar nicht die Aufmerksamkeit erfuhr und dafür sporadischer mit mehr oder weniger gelungenen Szenarien der Zukunft pessimistisch gegenüberstand, so entwickelte der Science-Fiction-Film in dieser Dekade ein paar denkwürdige Ideen, die so zeitlos waren, dass sie in ihrer Kernaussage nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben, was auch damit zusammenhängt, dass die Menschheit im 21. Jahrhundert noch immer nicht so weit gereift ist, als dass man ihre fortschreitende Weiterentwicklung ohne Skepsis betrachten kann.

Michael Andersons („Around the World in Eighty Days”, „Operation Crossbow”) Geniestreich „Logan’s Run” verstand es zu dieser Zeit wie kaum ein Genreverwandter Intelligenz mit Unterhaltung zu kombinieren. Hier trifft der Zukunftspessimismus von „Soylent Green“ auf die simple Verspieltheit und Effektschau von „Star Wars“, der nur wenig später dann ein neues Science-Fiction-Zeitalter einläuten sollte.

Der Romanvorlage von William F. Nolan und George Clayton Johnson („Ocean's Eleven“) wurden zwar von Drehbuchautor David Zelag Goodman („Straw Dogs“, „March or Die“) zwar ein paar Ecken und Kanten genommen, doch schaden tut dies dem charmanten Retro-Science-Fictioner nur wenig, denn was übrig bleibt ist immer noch ein zweistündiges, sauspannendes Unterhaltungsvergnügen mit Hirn und, wenn mal will, auch simplen Popcornpotential.

Im Jahr 2274 von „Logan’s Run“ hat die Menschheit es endlich geschafft und sich durch wortwährende Zerstörung von Mutter Erde, Krieg, sowie Überbevölkerung zwangsläufig in eine Metropole zurückziehen müssen, die durch eine riesige Kuppel von der verseuchten Außenwelt hermetisch isoliert wird.
In dieser von einer Maschine kontrollierten Welt dürfen die alle Menschen zum Vergnügen leben. Um die Population im Gleichgewicht zu halten, werden nicht nur die Geburten kontrolliert, sondern müssen sich auch alle Menschen, sobald sie das dreißigste Lebensjahr abschließen, einer Erneuerung, festgehalten in einem zeremoniellen Ritual in der Öffentlichkeit, unterziehen. Dass dies nicht mehr als vor allen Augen abgehaltener Massenmord ist, versteht kleiner. Die Macht des indoktrinierten Glaubens hat bis auf wenige Ausnahmen alle zu gefügigen Marionetten gemacht, die blindlings die Ordnung akzeptieren, auch wenn sie offensichtlich noch so falsch ist. Werte und Normen wurden hier zugunsten des Wohles der wenigen längst ersetzt.
Logan 5 (Michael York, „The Three Musketeers”, „The Island of Dr. Moreau”) fungiert in diesem System als Sandmann, die Exekutive, ein Killer, der diejenigen eliminiert, die sich dem vorbestimmten Schicksal nicht beugen wollen, sogenannte Läufer. Gleichzeitig ist er aber auch Fixpunkt des Zuschauers, denn wir befinden uns nahezu ständig auf seinem Wissensstand.
Als er von der schier allmächtigen Recheneinheit beauftragt wird einen möglichen Rückzugsort der Läufer ausfindig zu machen und deshalb kurzerhand zum Läufer umfunktioniert wird, steht er selbst auf der Abschussliste. Nun muss er die um Hilfe bitten, die er vorher jagte.

„Logan’s Run“ bedient einige klassische Science-Fiction-Motive, zu denen natürlich das totalitäre System, das von der Gesellschaft auch längst vorbehaltlos akzeptiert wird, weil es ihr verboten ist, es zu hinterfragen, maßgeblich gehört. Nicht zuletzt dank des damals noch schwellenden Kalten Krieges und der in der Sowjetunion praktizierten Staatspolitik traf diese Prämisse den Nerv des Zuschauers, wobei das Verschleiern von Tatsachen (die Regeneration der Erde) wohl längst zum Tagesgeschäft einflussreicher Regierungsorgane in der heutigen Welt zählt.
Die durch Technik und Fortschritt verlorene Identität, daraus resultierende längst sich nur noch oberflächlich abspielende zwischenmenschliche Beziehungen, auch dadurch hervorgerufen, dass Vater und Mutter nicht bekannt sind, sondern der Nachwuchs in einer Art Brutkästen aufgezogen wird, ist nur ein weiteres Beispiel von pessimistischer Weissagung, was uns Menschen denn einmal erwarten könnte, wenn wir den destruktiven Weg fortsetzen und in die Obhut der Zukunftstechnologien begeben, die uns erst die Arbeit erleichtern und später dann das Denken abnehmen dürfen. Gegner dieses Ordnung werden entweder getötet oder in ein Gebiet deportiert, wo sie ihr elendes Dasein fristen.

Neugier und Misstrauen sind allerdings den Menschen vorbehaltene Eigenschaften, was Logan 5 letztlich zum Vorteil gereichen soll, denn sein Gespräch mit dem analytischen Rechengeschöpf fördert ein paar fragwürdige Aussagen zutage, die ihn als Überzeugten an der Richtigkeit des Systems zweifeln lassen und zur Flucht mitsamt der zur Widerstandsbewegung gehörenden Jessica 6 (Jenny Agutter, „The Eagle Has Landed“, „An American Werewolf in London“) antreiben. Sie ist diejenige, die sein Denken erst fördert und sich auf seine Seite schlägt, als er in einer isolierten Zone der Stadt, in der rebellische Teenager weggesperrt werden, einer Läuferin das Leben rettet.

Ein Großteil des Charmes dieser nun auch schon fast 30 Jahre alten Produktion macht insbesondere Michael Andersons Inszenierung und die Bauten und Kostüme aus. Man orientierte sich an der Hippie-Ära in Farbwahl und Stil, setzte vorwiegend auf helles, rundes Equipment, verbaute viel Glas, Neon-Lichter und gab die Rechner als komplizierte, wild blinkende Apparatur mit einer wohlklingenden, beruhigenden menschlichen Stimme aus. Die Kostüme sind körperbetont, knapp und sehen nach Schlafanzügen aus, die Räume sind großzügig im Umgang mit ihrem Platz. Man fühlt sich gerade rückblickend in dieser Welt mit Retrobonus und Nostalgiesonderpunkten schlicht wohl.
Dazu tragen die offensichtlichen Miniaturbauten der kompletten Stadt ihren Teil genauso bei, wie ein paar unvergessliche, vielleicht filmhistorisch unwichtige, aber von Anderson kongenial festgehaltene Momente ihren Teil bei. Allein schon die Szene des von Pflanzen völlig zugewachsenen Lincoln Memorials erzeugt auch beim erneuten Ansehen Gänsehaut. Das von der Natur zurückeroberte Washington, der erste Anblick der Sonne, die lebendige Natur, die Erkenntnis die Zuflucht nicht finden zu können... Anderson wächst ein ums andere Mal über sich hinaus und die Bilder von Kameramann und Oscar-Preisträger Ernest Laszlo („Fantastic Voyage“, „Airport“), für diese Arbeit auch nominiert, sind der Wahnsinn. Nicht umsonst wird „Logan’s Run“ als Andersons bester Film bezeichnet.

Die titelgebende Flucht, die Logan vor dem System antritt geht flott von der Hand, hat ein paar einfallsreiche Sequenzen (der Liebestunnel) parat und konfrontiert das Pärchen mit drei völlig unterschiedlichen Welten. Die Flucht vor dem System ist noch das kleinste Problem, erhält allerdings Rasanz durch einen toll getricksten Besuch beim Gesichtschirurgen, der, von einem halben Dutzend Lasern filetiert, auf dem Operationssaal zurückbleibt. Hierbei darf auch gern der aktuelle Jugendwahn (Facelifting für U 30!) herangezogen werden.
Logans ehemals bester Freund, Kollege und Gleichgesinnte wird zu seinem ärgsten Verfolger, der mit über die Grenzen hinausgeht und ihn in einen symbolträchtigen, tödlichen Kampf verwickelt, als längst niemand mehr damit rechnen mag.
Abgestiegen in das sich hinter der Fassade der Stadt verbergende industrielle Maschinenlabyrinth, müssen sich das Pärchen durch ein, mir schleierhaft dämliches, weil nah am Trash bewegendes, mies getrickstes Eisweltszenario der Marke Studioset nebst Gefrierroboter (Ein Schützling des Systems?) kämpfen, um letztlich schließlich zurück an die Oberfläche zu gelangen und in einem von der Natur längst zurückeroberten Washington auf einen alten Mann (unnachahmlich kauzig: Peter Ustinov, „Spartacus“, „Death on the Nile“) zu treffen, der schon viel vergessen hat und ganz allein, nur umgegeben von seinen Katzen, lebt. Die sich an eine Erkundung der regenerierten Natur anschließende Zusammenkunft fördert dann einige skurrile Dialoge zutage, weil Logan und Jessica sich doch reichlich fasziniert von grauen Haaren und einem bärtigen, faltigen, alten Gesicht zeigen. Parallelen zur Schöpfungsgeschichte sind hier offensichtlich und wohl auch so gemeint gewesen.

Das abschließende Kapitel beschließt dann den Kampf gegen das System und die Verkündung der Wahrheit. Die Rückkehr in die Stadt verläuft problemlos, doch weder die den Aussagen keinen Glauben schenkenden Bewohner noch der gänzlich überforderte, kapitulierende Computer, der entweder die Wahrheit nicht verarbeiten kann oder an Logans purem Willen scheitert, zeigen sich aufgeschlossen. Erst der Untergang, festgehalten in einer totalen Zerstörung der Stadt, besiegelt den Neuanfang und damit die Freiheit wieder von vorn anfangen zu können und es besser zu machen.


Fazit:
Spannender Science-Fiction-Trip durch ein faszinierendes, fesselndes Szenario, das durch, eine, wenn auch veraltete, versierte Tricktechnik bei mir einen dicken Nostalgiebonus einheimst. Als einer der wenigen Science-Fiction-Filme der Siebziger schaffte es „Logan’s Run“ mich über die volle Distanz bei Laune zu halten. Schauspielerisch mag bis auf Ustinov keiner herausragen, doch das ausgeklügelte System, das mit seiner schieren Unangreifbarkeit Schicksal diktiert und ein limitiert sorgloses Leben garantiert, hat irgendwo Charme und einige höchst phantastische Ideen auf Lager, während die Flucht nach draußen schlicht durch ein relativ hohes Tempo und tolle Schauwerte begeistert. Michael Anderson muss sich freilich bei seinen Setdekorateuren, Tricktechnikern, Jerry Goldsmith (ein futuristischer Synthesizer-Score) und Ernest Laszlo bedanken, zeigt dabei jedoch, dass er zumindest einmal in seiner Karriere dazu in der Lage war einen unvergesslichen Klassiker zu drehen, der höchstens kleine Macken bei genauer Betrachtung (Wer wartet das System eigentlich?) und zu vielen Detailfragen offenbart. Spannend, unterhaltsam, klug.

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