Review

kurz angerissen*

Wie lange kannst du die Luft anhalten? Die Beantwortung dieser Frage genießt bei „Don't Breathe“ höhere Relevanz als die übliche Erkundigung danach, wie viel Blut man ertragen kann oder wie abgehärtet man gegenüber Jump Scares ist. Schon das lässt ihn in den Medien zum Ausreißer werden, insbesondere da er ausgerechnet von Fede Alvarez kommt, der sein grimmiges „Evil Dead“-Remake noch mit reichlich Blut garniert hatte, auf das er diesmal wohlweislich verzichtet.

Doch auch das angespannte Innehalten ist nur ein archaischer Reflex des Horrorfilms. Die Innovationslorbeeren sind daher vielleicht nicht ganz nachzuvollziehen, den frischen Wind gesteht man dem ungewöhnlich arrangierten Psychoduell zwischen einem blinden Veteranen und einem Einbrecher-Trio aber gerne zu, gerade in einem insgesamt schwachen Horror-Jahr wie 2016. Wenn man jedoch Spaß daran hat, Momentaufnahmen zu sezieren, ist man an der richtigen Stelle. „Don't Breathe“ wird bestimmt von Szenen, in denen Zentimeter und Dezibel zwischen Leben und Tod entscheiden. Wie bewegungslose Schachfiguren verharren die Akteure in gefrorener Pose und erwägen nächste Schritte; Alvarez kostet das Situative aus und nutzt den beengten Raum des einfach konzipierten und doch verschlungen wirkenden Hauses bis auf den letzten Winkel aus. Zusätzlich gelingt ihm auf Grundlage einer sehr geringen Anzahl von Darstellern ein kunstfertig arrangierter Spannungsbogen, dessen Wendungen stets zum richtigen Zeitpunkt als Joker gezogen werden.

Derart eng geführte Kurven führen zwangsläufig zu logischen Kompromissen; schon die mitunter recht lautstarken Auseinandersetzungen mögen je nach Geschmack mit der verlassenen Nachbarschaft nur unzureichend erklärt sein, doch dass ein argwöhnischer Blinder mit militärischer Ausbildung in seinem eigenen Haus so manches Geflüster direkt aus dem Nebenraum nicht zu vernehmen scheint, obwohl er sich bereits im Alarmzustand befindet, ist nur schwer zu erklären. Andererseits feuert Alvarez mit reichlich Gegendarstellungen, die das Gesamtbild wieder in eine glaubwürdige Richtung lenken; etwa wenn die intuitiven Bewegungen Stephen Langs andeuten, dass er jede Unebenheit seiner Behausung ganz genau kennt.

Trotz all dieser Vorzüge, trotz der wahrhaft beängstigenden Darstellung Langs und obwohl man sich bei den Einbrechern sogar um Hintergründe bemüht und ihre Motivation somit begründet, echte Hochspannung möchte nicht aufkommen. Möglicherweise liegt das daran, dass der Kniff des Seitenwechsels nicht so funktioniert wie er sollte. Das Drehbuch zerrt die Einbrecher mit Gewalt in den Empathiebereich des Mitgefühls und den Hausbesitzer daraus weg; am Ende ist einem keiner der Anwesenden so richtig geheuer und es wird nahezu egal, wer die Oberhand behält. Ab hier funktioniert der Film nur noch mechanisch über seine Regler und nicht mehr über die emotionale Komponente. Vergebenes Potenzial, bedenkt man den erfrischend unangepassten Charakter des Films ohne jedwedes Sequel-Flair. Auch wenn ein solches aufgrund des Ausgangs sowie vor allem des Box-Office-Erfolgs nun im Bereich des Möglichen liegt.

*weitere Informationen: siehe Profil

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