Review

(Starke Spoiler enthalten. Mit Vorsicht genießen)

Wer schon unglaublich viele Horrorfilme gesehen hat, wie ich, der seine Horrorfilm-Zeit schon länger hinter sich hat, wird das Gefühl kennen, dass man einfach nichts neues mehr sieht und kennenlernt, was dieses Genre angeht.
Das Genre Horror ist bekanntlich so ausgelutscht, wie ein lausiger Lollipopp.
In diesem Genre kommen beinahe täglich neue low-budget Produktionen auf die Füße, die 'fast' allesamt Müll sind. Dazu gesellen sich ab und zu aber auch Ausnahmen.Es ist manchmal ungefähr so, wie es nach Saw 2 weitergin. Der erste Teil war anders, neu, innovativ und fesselnd, andere Teile danach vorhersehbar, uninnovativ und haben sich nicht neu erfunden. Sie haben auf altbekanntes gesetzt und sich auf sich selbst verlassen, ohne etwas neues zu wagen. Ich glaube hier wurde der erste Stein für den 'Torture-Porn' gelegt.

Ein Glück also, dass auch ich endlich in den Genuss von Don't Breathe gekommen bin. Ein Horrorfilm, der zu altem Wesen zurückkehrt. Angefangen mit der bedrückenden Musik, den guten alten, dunklen Klaviertönen des Grauens, einer perfekten Kameraarbeit und Darstellern, die zwar nicht bekannt sind, aber bravourös aufwarten können. Auf ihnen liegt schließlich immer die Hauptlast, die unsere Erwartungen stillen müssen. Da kann das Drehbuch und die Idee noch so gut sein, wenn aber die Darsteller allesamt nicht funktionieren, dann ist der Rest auch Mist.

Hierzu gesellt sich eine Idee, die angsteinflößend und was mich betrifft, nie dagewesen ist. Eine Bande von jungen Menschen will einen blinden Mann ausrauben, was einfach und vorhersehbar klingt, aber spätestens nach ein paar Minuten in seinem Haus, undenkbar und grausam endet.

''It's kind of messed up to rob a blind guy, isn't it?'' -Alex-

''Just because he's blind doesn't mean he's a saint, bro.'' -Money-

Die Atmosphäre ist bedrückend, leicht Klaustrophobisch angehaucht und zu jeder Zeit packend. Wer sich den Film alleine zu Gemüte führt wird umso stärker belohnt.
Den Eindruck den man bekommt, wenn kein Freund daneben sitzt oder jemand quatscht, schmanzt und quasselt, ist immer stärker.

Hat es das schonmal so gegeben? Einen Horrofilm, indem der Peiniger 'von Angesicht zu Angesicht' neben seinen Opfern steht? Er sie nicht sehen, sondern lediglich hören kann?
Wo man anfangs noch Mitleid mit dem blinden Mann hat, der ausgeraubt wird, das Geld, dass er bekommen hat, weil seine Tochter totgefahren wurde, wird man im Laufe der Handlung einen enormen angewiderten Beigeschmack empfinden.
Spätestens aber, wenn man die Frau, die seine Tochter totgefahren hat, sieht, die der Blinde Mann festhält, weil er ein neues Kind von ihr haben möchte, dann erfüllt der Horrorfilm seine volle Wirkung.
Was macht es aus einem Menschen, wenn man seine Tochter verliert?
Man wird wahnsinnig? Ja.
Entführt man die schuldige Frau, sperrt sie im Keller ein und schwängert sie? Nein.
Aber gerade hierdurch entfaltet der Film seine bedrückende, kompromisslose und erbarmungslose Physis, die auch nach Stunden noch einen bitteren, faden Beigeschmack hinterlässt. Der Film nimmt sich nicht zurück und geht auch über Grenzen des Guten Geschmacks. Das macht einen Horrorfilm aus. Er spielt zeitweise komplett im dunkeln, die Musik immer spannend und thrillermäßig angehaucht und die Darsteller für die Handlung über jeden Zweifel erhaben.

Der blinde Mann ist hier natürlich der ganz Große Fang und die größte Innovation, mit der Don't Breathe aufwartet.

''There is nothing a man cannot do once he accepts the fact that there is no god.'' -Der blinde Mann-

Das ist mir etwas vollkommen neues und gibt dem Film eine unerwartete Ausstrahlunng. Wer denkt, Horrorfilme von heute haben doch sowieso nichts zu bieten, sollte sich an diesem Werk versuchen. Ich bin mir sicher, er wird euch nicht enttäuschen.
Es ist zwar nicht alles neu, Handlungen, die in einem Haus spielen, wenig in der äußeren Umgebung, beklemmend und angsteinflößend etc. pp. Alles nicht neu.
Aber das heißt noch lange nicht, dass man das altbekannte nicht innovativ, handwerklich perfekt und mit neuem Ideenreichtum füllen kann.
Ich finde, dass hat Alvarez famos gelöst. Ihm ist mindestens einer der besten Horrorfilme der letzten Jahre gelungen.
Eine echte Überraschung, wie ich finde. Denn ich dachte auch, das Genre kriegt garnichts mehr zu Stande.

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