"Who the hell are you?"
"I am Wrath."
Mittlerweile, seit vielleicht 2013 hat der ehemalige A-Lister John Travolta aufgrund wahrscheinlich ausbleibender Zugkraft, entsprechender Angebote, und sicherlich auch des steigenden Alters geschuldet den Club der (weiterhin besser gestellten) Direct to video - Premieren, in guter Gesellschaft von bereits u.a. Bruce Willis und Nicolas Cage betreten. Bei den anderen beiden sind auch die Motivationen ausgesprochen und entsprechend klar, das schnelle Geld bei beiden, plus bei letzterem neben dem Druck von Schulden eventuell auch mehr Freiheiten für sein eigenes (Schau)Spiel, für den Show-off-Charakter, während bei Travolta selber die Zeitspanne auch noch zu kurz ist, um weitere Vermutungen dahingehend anzustellen. Bisherige Arbeiten wie Killing Season (2013) oder The Forger (2014) hatten auch noch ein gewisses Niveau und durchaus bereichernd für den Blick, den man auf den ehemaligen Tanzbären, jetzt mit über 60 Lenzen und seit vier Jahrzehnten prägend im Filmgeschäft wirft:
Wegen eines Bewerbungsgespräches für wenige Tage auswärts gewesen, wird der derzeit arbeitslose Automechaniker Stanley Hill [ John Travolta ] von seiner Ehefrau Vivian [ Rebecca De Mornay ] am Flughafen abgeholt, und nur wenige Minuten nach der Ankunft brutal überfallen, was ihren Tod zur Folge hat. Zwar kann der schwer verletzte Stanley aufgrund einer prägnanten Tätowierung mit Charley [ Luis Da Silva Jr. ] einen der drei Täter identifizieren, lassen die beiden ermittelnden Polizisten Det. Gibson [ Sam Trammell ] und Det. Walker [ Asante Jones ] den bereits mehrfach negativ Aufgefallenen aufgrund seiner Beziehungen zum die Fäden ziehenden Schwerkriminellen Lemi K [ Paul Sloan ] allerdings wieder laufen. Während Governor Meserve [ Patrick St. Esprit ] von einem bedauerlichen und einzelnen Vorfall in seiner Stadt spricht, beschließt der zutiefst trauernde Stanley, das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen, und damit seine eigentlich zu Grabe getragene unrühmliche Vergangenheit mit der Erfahrung mehrerer geheimer militärischer Operationen zu re-aktivieren. Als Unterstützung dient ihm dabei der frühere Waffenkamerad Dennis [ Christopher Meloni ].
Nun also der Selbstjustizthriller, der Black Ops Vigilante bei den Aufräumarbeiten, ein Subgenre zwischen Action in der Ausführung und dem Drama in der Grundlage dessen, und eine Abart des populären Filmes, die eigentlich immer geht. Nicht zuletzt hat Cage die Tokarev a.k.a. Rage (2014) als Trumpfkarte gezückt, Reeves mit John Wick (2014) sich eigenhändig wieder in das Gespräch gebracht und wird Willis seit Jahren und nur er alleinig für Death Wish als Remake hofiert. Das Problem mit derlei Szenarios ist nur, dass die meisten schon erzählt sind, bzw. das die Meisten nur den einen Weg haben, und genau diesen I am Wrath nach seiner random acts of violence - Einleitung auch genauso geht.
Denn Überraschungen oder eine innere oder auch eine äußere Spannung erreicht der Film leider nicht. Er ist zu konsumieren, man weiß nur, was geschehen ist, auch bald schon, was dahinter steckt und sicherlich auch, wie es weitergeht. Nun hat sich aber auch keiner den Film geliehen, gekauft, sich zugänglich gemacht, um sich auf das die üblichen Klischees abspulenden Skript von Paul Sloan zu konzentrieren; so dass man die Sachen, die dort besprochen und vollzogen werden größtenteils auch guten Gewissens wohl ignoriert. Eine aufpeitschende "hype and hysteria are up" - Nachrichtenlage gleich zu Beginn, ein bisschen Spezlwirtschaft hier und da, quasi die Amigogesellschaft von Columbus, Ohio, von dessen Demographie man hier meist nur die tätowierten Halunken oder die ebenso bösen Leute im Anzug, und von der Infrastruktur ein irgendwie alles gleichaussehendes Amerika, die Kill Zone USA eben sieht. Suburbia-Häuschen als Refugium für den trauernden Witwer, in dem nach der schrecklichen Tat das braune Zuckerwasser zum Trost in Strömen fließt; dazu ein paar düstere Spelunken, vor und dessen Betreten man sich lieber die Hände und vielleicht alles andere auch desinfiziert. Dazwischen eine Kirche, die neben der dargereichten Bibel und dem Rosenkranz sowie dem entsprechenden Zitat vom "But I am full of the wrath of the LORD, and I cannot hold it in" dem Film seinen Titel und der Hauptfigur seinen Antrieb, aber auch seine Zweifel daran gibt.
Wichtiger als all dies Ganze ist allerdings die Regie, wobei nicht die grundsolide Inszenierung selber, sondern der Mann dahinter für viele schon ein Signal für den Film und ein kleiner Hoffnungsschimmer ist. Chuck Russell hat nach längerer Pause, deren Gründe ebenso unbekannt sind, wieder ein Werk zu seiner eh überschaubaren Filmographie beigelegt. Russell gilt als Handwerker, der allerdings die Meute da draußen mit den meisten seiner vielleicht ein halbes Dutzend Arbeiten entzückt bzw. sich in guter Erinnerung an die Kindheit oder die Jugend eingeschrieben hat. Das wird ihm hiermit nicht gelingen, aber der Bonus der Verklärung von früher noch und auch die angenehme Routine der Inszenierung hier hilft. Unterstützung leistet gerade auch Christopher Meloni als Zuspieler von Travolta, der hier theoretisch die Rolle von Max Ryan in Tokarev, aber mit mehr Finesse, mehr Präsenz, und eben auch tatsächlichen Schauspiel übernimmt.
Darüber hinaus gleichen sich die Filme doch sehr, vom Budget, was mit jeweils ca. 20 Mio USD angegeben wird, vom entbleichten, dunklen bis schmuddeligen Aussehen, von der geraden generischen Herangehensweise, die keine Gefangenen macht, und von den 'Frisuren' der Hauptdarsteller, sind auch von den gleichen Produktionsfirmen Patriot Pictures [us]/Hannibal Classics [us], die scheinbar um die Wünsche der Zuschauer wissen und das Bedürfnis entsprechend bedienen. Eigentlich könnte man sie direkt als Zwillinge nebeneinander halten oder als Double Feature laufen lassen, was – je nach Gunst des Publikums – für Beide oder gegen Beide oder doch für den Tick cleveren Tokarev spricht. [Das angekündigte Regiedebüt von Cage, Vengeance: A Love Story (2017) wird unzweifelhaft auch diesen sicheren Weg gehen.] Action ist hier wie dort nicht wirklich viel, ein paar Schüsse im Hinterhof und im Nachtclub, dazu etwas Gekeile, in dem der wahrhaftig muskulöse Meloni doch ein wenig besser als der gut gepolsterte Travolta aussieht, und die Prügelei mit jeweils etwas Blut und Zeitlupen für den effektiven Sinn noch schick kredenzt wird.