kurz angerissen*
„Nocturnal Animals“ von Modedesigner Tom Ford ist wie schon sein Regiedebüt „A Single Man“ Outsiderkunst und als solche von einem besonders klaren Blick auf die Mechanismen des Mediums Film geprägt. Man muss relativ viele Sichtungen zurückgehen, um auf einen Thriller zu stoßen, der sich ähnlich lustvoll und vogelfrei in seinem Regelwerk bewegt; vielleicht bis zu den ersten Arbeiten des neuen Regie-Wunderkinds Denis Villeneuve („Enemy“).
Tom Ford benötigt für die nervenaufreibende Demontage einer gescheiterten Beziehung zunächst einmal nichts als eine Frau, die ein Buch liest. Austin Wrights Romanvorlage „Tony and Susan“ wird dadurch fast beiläufig zum Teil seiner eigenen Verfilmung, das gängige Prinzip der Adaption somit zum surrealistischen Stilmittel nach Charlie-Kaufman-Art. Die Tatsache, dass der Inhalt des gelesenen Romans „Nocturnal Animals“, zugleich Titel des Films, die fiktional übersteigerte Beschreibung eines real erlebten Beziehungsdramas ist, stellt zugleich einen Meta-Kommentar zum Wirken filmischer und literarischer Medien dar – je schmerzhafter die Erfahrungen in der realen Welt, desto brutaler, radikaler, zuletzt bedeutungsvoller deren psychologische Verarbeitung.
Ford überlässt bei der Vernetzung der drei Ebenen des Plots – die gegenwärtige Realität, die vergangene Realität und die Fiktion, die beide Realitäten in symbolischer Wirkung miteinander verknüpft – rein gar nichts dem Zufall. Der Bart, den Gyllenhaals Romanfigur trägt, die wilde Wüstenumgebung. Die großen Fenster im Apartment Susans, die Bilder und Ausstellungsobjekte in ihrer Galerie. Gesten, Dialoge, getroffene Entscheidungen. Was auch immer man in diesem Film sieht und hört, es stellt jeweils eine Spiegelung auf die Parallelwelt dar. Die Montage dieser Welten wird so brillant in klassische Genre-Funktionalitäten eingebettet, dass die Symbolträchtigkeit des Gezeigten manchmal bis zur Unsichtbarkeit im puren Thrill verborgen liegt, obgleich Ford den Holzhammer mitunter schwunghaft, fast schon ekstatisch einsetzt, etwa wenn er im Flur der Galerie ein Bild einfängt, das in Pop-Art-Buchstaben den Begriff
RE
VEN
GE
ausstößt wie einen anklagenden Schrei, gefolgt von einem einzelnen Jump-Scare-Moment, der sich nicht wiederholen wird. Bestimmend bleibt vielmehr das grummelnde Gefühl des Unwohlseins, das man verspürt, wenn etwas Irreversibles schiefgelaufen ist.
„Nocturnal Animals“ funktioniert schon als Genrewerk besser als viele Thriller und Dramen, die nur dies sein wollen; seine kunstvolle Architektur führt ihn darüber hinaus aber auch noch zu einem auf den Punkt formulierten medientheoretischen Kommentar, verpackt in die Anatomie einer zerbrochenen Beziehung.
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