Galeristin Susan (Amy Adams) führt ein erfolgreiches und gesellschaftlich angesehenes Leben. Aus heiterem Himmel erhält sie einen Brief von ihrem Exmann Edward (Jake Gyllenhaal). Dieser hat jüngst seinen ersten Roman veröffentlicht und lässt Susan ein Exemplar zukommen. Das Schmökern in dem Buch versetzt die Jetsetlady in tiefe Trauer. Sie schwelgt in Erinnerungen. Die Geister der Vergangenheit lassen ihr keine Ruhe. Denn: in dem Roman erkennt Susan eine bitterböse Abrechnung ihres Exmannes, den sie einst eiskalt verlassen hat…
Ein Film, zwei Geschichten. NOCTURNAL ANIMALS von Regisseur Tom Ford (A SINGLE MAN) ist ein Spiel mit den Gegensätzen. Die aalglatte, klinisch saubere, wortwörtlich: inhaltlich arme Realität von Protagonistin Susan prallt auf die dreckige Wüstenkulisse von Edwards Roman. Eine harte Rachestory voller Tod und Gewalt. Hier werden Tony (ebenfalls Jake Gyllenhaal) und seine Familie mitten im staubigen Nirgendwo Opfer eines Verbrechens. Es ist die Geschichte vom Mann als Schwächling. Vom Mann, der seine Beschützerrolle verfehlt. Erste Parallelen zur Realität können gezogen werden. Dort hielt die aufstrebende Susan ihrem sensiblen Mann ebenfalls vor, schwach und nachgiebig zu sein. Im Roman heftet sich ein raubeiniger Sheriff (Michael Shannon, MAN OF STEEL, BOARDWALK EMPIRE) an die Fersen des degenerierten Verbrechers (Aaron Taylor-Johnson, KICK-ASS, AVENGERS: AGE OF ULTRON). Der gebrochene Hänfling Tony wächst über sich hinaus und rächt sich für das, was ihm angetan wurde.
In der Realität sieht Rache anders aus. Auch hier gibt es Tragik und tiefen Schmerz, doch werden diese ganz anders ausgelebt. Nicht theatralisch, mit lauten Gefühlausbrüchen und wilden Feuergefechte wie im Buch. Sondern still. Es wirkt fast, als spiele NOCTURNAL ANIMALS auf brillante Weise beide Geschichten gegeneinander aus. Erst im Kontrast zu dem Racheepos voll Kitsch und Hollywood’eskem Gerechtigkeitssinn werden die feinen Nuancen der Realität sichtbar. Als Zuschauer spürt man, dass Protagonistin Susan ihrem Exmann nachweint. Trotz Ruhm wirkt die Karrierefrau – umwerfend verkörpert von Amy Adams (ARRIVAL, BATMAN V SUPERMAN) – gebrochen, leer und alt. Verloren in einer Welt voll Mode und Oberflächlichkeit. Ist das die Rache von Exmann Edward (Jake Gyllenhaal, PRISONERS, ENEMY)? Was der Film jedoch auch ganz toll herausarbeitet: Im wahren Leben bleibt der Paukenschlag oft aus.
Film im Buch im Film. NOCTURNAL ANIMALS ist eine Geschichte, eigentlich zwei Geschichten voller Kontraste. In der einen ereignet sich praktisch nichts. In der anderen sehr viel. Die Wahrheit und der Unterhaltungswert für den Zuschauer liegen irgendwo dazwischen. Zwischen der atemberaubenden Bildsprache und dem filigranen Schauspiel. Modedesigner Tom Ford (ehemals Gucci, nun Eigenmarke) beweist mit diesem intelligenten Meisterstreich nicht nur ein Faible für rothaarige Schönheiten (Amy Adams, Isla Fisher, Ellie Bamber), sondern auch, dass er auch als Regisseur ordentlich was auf dem Kasten hat.
Fazit:
Katze. Eule. Fledermaus. Fabelhaft.