Nocturnal Animals (2016, Tom Ford)
It's fun to kill People. You should try it some time.
Die Nacht ist dunkel, die Nacht ist grausam. Und sie ist allgegenwärtig, in dieser kargen Savanne im Westen von Texas. Die Weite scheint endlos, und dennoch kann das Grauen deiner fürchterlichsten Albträume jederzeit nur wenige Meter von dir aus dem finsteren Nebel treten. Sollten doch mal die Scheinwerfer eines Autos das Schwarz durchbrechen, dann nur aus einem einzigen Grund: Sie suchen dich. Und du bist allein.
Modeschöpfer Tom Ford versucht sich nach A Single Man erneut an der Kamera und adaptiert einen Roman von Austin Wright für das Kino. Amy Adams spielt die Kunstexpertin Susan, deren Welt scheinbar makellos ist. Sie lebt auf einem modernen Anwesen in Los Angeles, umgeben von grotesken, marmorglatten Skulpturen, von Ford in fast schon widersinnig perfektionierten, kühl kalkulierten Bildern festgehalten. Jake Gyllenhaal spielt Tony, und seine Welt ist dunkel, hässlich und stinkend. Im klaustrophobischen Klammergriff der alles erdrückenden Nacht kämpft er sich einem Highway im texanischen Niemandsland entlang. Gedemütigt, allein und dem Bösen, das in der Finsternis lauert, schutzlos ausgeliefert. Aber Tony ist fiktiv. Eine Erfindung von Susans Ex-Ehemann Edward Sheffield, der sich zum wiederholten Male als Schriftsteller versucht. Oder doch nicht?
Ford erzählt seinen Neo Noir Thriller auf drei verschiedenen Zeit- und Realitätsebenen, wobei Susans Rahmengeschichte die Brücke schlägt zwischen Tonys Albtraum und ihrer eigenen Vergangenheit mit Edward, und Ford koordiniert diese Ebenen stimmig, geschickt und mit einer Leichtigkeit, dass es eine wahre Freude ist. Susans Welt ist von einer geradezu widerlichen Perfektion, einer sterilen Kälte, die sich unnatürlich anfühlt. Kunstgalerien, unterwürfiges Haushaltspersonal und High-Society-Cocktailpartys bestimmen ihr Leben. Tonys Welt ist zynisch, erbarmungslos, morbide und bevölkert von dubiosen, kettenrauchenden Vigilanten in Polizeiuniform (saucool und geheimnisvoll: Michael Shannon) und psychopathischen Strassenrowdys (widerwärtig und preisverdächtig: Aaron Taylor-Johnson), die ihr Unwesen treiben. Beide Welten ergänzen, transzendieren und spiegeln sich auf einer faszinierenden Ebene der Abstraktion. Das Böse, das Abgründige zeigt seine hässliche Fratze immer in beiden Welten. Doch wo in Texas makabre Schurken dieses Unheil personifizieren müssen die Figuren es in Los Angeles nirgendwo anders suchen als in sich selbst. Denn die abscheuliche Gewalt und willkürliche Bosheit der einen Welt schlummert in der anderen genauso sehr, verborgen unter den Oberflächlichkeiten der abscheulichen Perfektion.
Fords filmische Vorbilder (Hitchcock, Fincher und vor allem der cineastische Meister des Surrealismus, David Lynch) werden zu keiner Sekunde verleugnet. Und doch scheint dieser Film anders von ihnen. manchmal scheint er dezenter, manchmal trivialer und manchmal glaubt man, dass da unter all den doppelten Böden der Dramaturgie noch weitere Welten zu entdecken sind. Nocturnal Animals fasziniert, er zieht an und er stosst einen ab. Und er ist für mich der beste Film des Kinojahres.
Wertung: 10 / 10