Review

Nocturnal Animals (2016)

Mein Filmjahr 2016 neigt sich so langsam dem Ende zu und der vorletzte Film, den ich mir dieses Jahr im Kino angesehen habe, ist „Nocturnal Animals“. Bei meinen Wertungen bin ich mir eigentlich mittlerweile sehr sicher, was ich von einem Film erwarte / erwarten kann und kann das auch bereits vor Sichtung des Films punktemäßig vorhersagen. Bei meinen Top-Platzierungen in diesem Jahr gibt es klare gesetzte Kandidaten (Rogue One, Arrival, The Revenant, Jason Bourne) und Filme, die mich extrem positiv und nachhaltig überrascht haben (The Hateful Eight, Room).
Nocturnal Animals wird sich vermutlich auch in diese Liste einreihen und liegt zwischen klar gesetztem Top-Kandidaten und Überraschung.

Überraschung wird vermutlich auch die erfolgreiche Galeristin Susan Morrow empfunden haben, als sie Post von ihrem seit 19 Jahren nicht mehr gesehenen Ex-Mann Edward Sheffield erhält. Der Schriftsteller hat ein Buch namens „Nocturnal Animals“ geschrieben und es Susan gewidmet. Als sie die brutale Geschichte eines Mannes liest, der bei einem Roadtrip in Texas seine Frau und Tochter bei einem Überfall durch kriminelle Psychopathen verliert, kommen ihr die Erinnerungen hoch, welch Schreckliches sie ihm damals angetan hat.

Tom Ford ist nicht nur ein weltberühmter Modedesigner, sondern auch ein extrem visuell anspruchsvoller Regisseur. Ich habe sein Erstlingswerk „A Single Man“ mit Colin Firth noch nicht gesehen. Nach der Sichtung seines zweiten Films „Nocturnal Animals“ werde ich das definitiv nachholen müssen. Visuell anspruchsvoll und sehr metaphorisch geht es in „Nocturnal Animals“ zu – jede Einstellung kann visuell als Punktlandung betrachtet werden.Ähnlich wie es dieses Jahr ein Nicolas Winding Refn mit „The Neon Demon“ gemacht hat, der in Sachen Bildsprache, Ästhetik und metaphorischer Tiefe die oberflächliche und kannibalistische Modeszene von LA sehr voyeuristisch und stilgemäß sehr oberflächlich betrachtet hat. Was „The Neon Demon“ an genereller Tiefe und interessanten Rollen gefehlt hat, hat Tom Ford mit „Nocturnal Animals“ nun geliefert. Ich mag interessante Thriller mit einem intelligenten Aufbau der Narration. Nolans Werke, Finchers Filmografie oder auch z.B. Denis Villeneuves „Enemy“ kamen mir bei „Nocturnal Animals“ in den Sinn. Der Film liefert uns 3 Erzählstränge, die miteinander perfekt kombiniert werden. Uns wird Susan im Heute präsentiert und wie sie mit den Ereignissen aus dem Buch umgeht. Die Handlung des Buchs wird uns ebenfalls gezeigt, genau wie der Verlauf der Beziehung von Susan und Edward. Kontraste – ist optisch das Stichwort, wenn man sich anschaut, mit welcher Präzision Tom Ford die unterkühlte Stimmung in LA der rauen, hitzigen Weite Texas gegenüberstellt. Darstellerisch ist der Film natürlich bis in die Nebenrollen hinein perfekt besetzt. Amy Adams ist eine der besten Darstellerinnen unserer Zeit und natürlich auch des Jahres 2016, nachdem auch „Arrival“ perfekt bei mir angekommen ist. Bei Jake Gyllenhaal mache ich meiner Meinung nach nie etwas falsch. Er spielt hier nicht nur den Autoren Edward Sheffield, sondern auch die Hauptfigur Tony Hastings im Roman. Darüber hinaus bietet der Film auch noch einen richtig guten Michael Shannon als Sheriff und einen absolut psychopathischen und genialen Aaron Taylor-Johnson. Da der Film eine Romanverfilmung von Arthur Wrights „Tony and Susan“ ist, über eine Frau, die einen Roman liest, ist der Film quasi eine „Romanception“. Wie man die erzählte Geschichte des Romans mit der Haupthandlung im Jetzt verknüpfen kann, lässt viel Interpretationsspielraum zu und stellt die Fragen, aus welchem Unterbewusstsein heraus die ganze Story erzählt wird. Nachhaltigen Interpretationsspielraum bietet auch das sehr konsequente Ende, das die Frage aufwirft – ging es hier um Vergeltung oder Vergebung ?

„Nocturnal Animals“ - My First Look – 10/10 Punkte.

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