Review

Zur Rettung ihrer Ehe verbringen Professor Perry (Ewan McGregor) und seine Frau Gail (Naomi Harris) ein paar Tage in Marrakesch. Als Anwältin Gail abends zu einem Telefontermin muss, wird Perry vom Russen Dima (Stellan Skarsgård) zu einer Party mit Geschäftsfreunden eingeladen. Am nächsten Tag bittet ihn Dima einen USB-Stick in Londom dem britischen Geheimdienst zu übergeben…

John Le Carré hatte von 1958-1964 selbst für den britischen Geheimdienst gearbeitet, bevor er die Anstellung zugunsten der Schriftstellerei aufgegeben hatte. Zwischen berühmten Romanen, wie „Der Spion, der aus der Kälte kam“, „Dame, König, As, Spion“ oder „Der Ewige Gärtner“ – allesamt erfolgreich verfilmt – muss sich sein 2010 erschienener Spionagethriller „Our Kind of Traitor“ (auch der Originaltitel des Filmes) noch einen respektablen Platz erkämpfen. Komprimiert auf 121 Filmminuten weist die Story zumindest einige Lücken und etliche Ungereimtheiten auf. Es geht um die Flucht des Hauptbuchhalters des mittlerweile verstorbenen Oberhaupts der russischen Mafia Dima nach London, wobei dem hart, aber auch allzu herzlich gezeichneten Verbrecher vor allem das Wohl seiner Familie am Herzen liegt. Angeblich weil niemand anderes gerade im Hotel ist, so eine spätere Erklärung, sucht er sich ausgerechnet Perry aus, um ihn erst einzulullen und dann zum Fluchthelfer zu machen. Die Motivation des anfangs überrumpelten Kurzurlaubers, der so gar nichts von einem Professor für romantische Literatur hat, bleibt endgültig ab dem Moment unklar, wo ihn der britische Geheimdienst zur weiteren Mitarbeit verpflichtet. Sein Idealismus, mit der Perry zwei mal in der Höhle des Löwen die körperliche Auseinandersetzung mit mutmaßlichen Mördern sucht, grenzt an Schwachsinn und dass er vorm Finale aus dem sicheren Schutz steigt um in den Kampf gegen skrupellose Mafiakiller einzusteigen, ist mit seiner noch frischen Freundschaft zum Überläufer Dima nur unzureichend erklärt. Das größte Ärgernis ist allerdings, das der Zuschauer von Null auf Hundert erfährt, dass Dimas Tochter ein Verhältnis mit einem der Verfolger hat und es auch im sicheren Schutzraum in den Schweizer Alpen nicht sein lassen kann, ihren Lover per Handy zu kontaktieren.
Bei so vielen Logic Bugs bleibt in jedem Fall ein schaler Beigeschmack, trotz der gekonnten, irgendwie klassischen Thriller-Inszenierung von Susanna White („Eine zauberhafte Nanny“ 2010), dem so schönen, wie unauffälligen Score und des guten Spiels von Ewan McGregor („Trainspotting“ 1996, „Velvet Goldmine“ 1998, „Der Ghostwriter“ 2010), Naomi Harris („James Bond 007: Skyfall“ und „Spectre“ 2012/15) und Damian Lewis („Stormbreaker“ 2006, „Königin der Wüste“ 2015) als Agent im eher ungewöhnlichen Alleingang. Am meisten in Erinnerung bleibt allerdings ein wieder großartiger Stellan Skarsgård („Jagd auf Roter Oktober“ 1990, „Der Medicus“ 2013, „Einer nach dem anderen“ 2014) als extrovertierter Mafia-Buchhalter mit Familiensinn. (6,5/10)

Details
Ähnliche Filme