„Du wirst mich gleich nackt sehen!“
Im Jahre 1978 zwischen solch unterschiedlichen Erotik-/Liebesfilmen wie „Summer Night Fever“ und „Sieben Sommersprossen“ veröffentlicht, ist das Erotikdrama „Bleib wie du bist“ des italienischen Regisseurs Alberto Lattuada („Die Steppe“) dessen vorvorletzter abendfüllender Kinofilm. Die italienisch-spanische Koproduktion lässt sich aufgrund ihrer freizügigen Hauptdarstellerin Nastassja Kinski als Erotikdrama einordnen – und goutieren.
„Sag mir, was du dir wünschst!“ – „20 Jahre weniger...“
Der römische Landschaftsarchitekt Giulio Marengo (Marcello Mastroianni, „Die Sonntagsfrau“), ein wohlsituierter Herr mittleren Alters, steckt inmitten einer Ehekrise mit seiner Frau Luisa (Mónica Randall, „My Dear Killer“) und seine erwachsene Tochter Ilaria (Barbara De Rossi, „Das Duell der Besten“) hadert mit ihrer Schwangerschaft. Nichts als Probleme also, weshalb die sorglose, lebenslustige und blutjunge Studentin Francesca (Nastassja Kinski, „Tatort: Reifezeugnis“), die er in Florenz kennenlernt, umso reizvoller auf ihn wirkt. Giulio und Francesca beginnen eine Affäre miteinander. Doch es stellt sich heraus, dass er vor 20 Jahren bereits eine Affäre zu Francescas mittlerweile verstorbener Mutter unterhielt und Francesca demnach seine Tochter sein könnte…
Die Autoren Paolo Cavara und Enrico Oldoini sowie Regisseur Lattuada legen ihren Fokus auf die Gewissenskonflikte, die Giulio durchlebt, seine schwierige Entscheidungsfindung und die neuen Probleme, die er sich eingehandelt hat – sowie das diese düsteren Begleiterscheinungen beinahe vergessen machende Liebesspiel zwischen dem älteren Herrn und dem jungen Ding. Was Giulio tut, mag moralisch verwerflich sein, doch des Verständnisses breiter Teile des Publikums dürfte er sich sicher sein können. Psychologische Aspekte wie Giulios an Midlife-Krisen erinnernde Alltagsflucht und Francescas offensichtlicher Vaterkomplex werden indes nicht vertieft und auch keine einfachen Lösungen angeboten.
„Bleib wie du bist“ ist ein schönes Beispiel dafür, wie man ein tendenziell skandalträchtiges, provokantes Thema stilvoll und unaufgeregt, mit schönen Erotikszenen, aber ohne übertriebene sexploitative Ausschlachtung verarbeiten kann. Das Ergebnis mag mancher als unspektakulär und langatmig empfinden, das ist es wahrscheinlich auch, mir jedoch geht bei den hübschen, natürlichen Schauspielerinnen und den wunderbar authentisch eingefangenen Drehorten im Zusammenspiel mit Maestro Ennio Morricone ohrenschmeichelnden Kompositionen das Herz auf. Blendet man aus, dass es sich im Prinzip um eine etwas fragwürdige Altherrenfantasie handelt, die der Handlung zugrunde liegt, kann „Bleib wie du bist“ gutes Gewissens als gelungener „kleiner“ Film innerhalb eines schwierigen Genrebereichs bezeichnet werden.