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„Mein großartiger Freund Shane"

Was haben die Comedian Harmonists, Fußballkaiser Franz, die Rockband Queen und Shane Black gemeinsam? Ganz einfach, sie kennen und feiern den Wert echter (Männer-)Freundschaft, oder Neudeutsch der Buddy-Beziehung. Die Harmonists stimmten ihr A cappella Hohelied bereits in den 30er Jahren an, Beckenbauer säuselte in den 60ern sehr erfolgreich von „Guten Freunden" und Queen donnerten ihre Kumpel-Hymne Mitte der 80er durch Stadien und Hallen. Ob von Freddie inspiriert oder nicht, jedenfalls genau zu diesem Zeitpunkt erschien auch Black auf der Bildfläche und putzte mit einem in nur 6 Wochen runtergeschriebenen Skript die Klinken diverser Hollywood-Bosse. Der Titel: Lethal Weapon.

Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte. Klar gab es auch schon vor „Lethal Weapon" bleihaltige Buddy-Komödien mit der simplen Prämisse „zuerst hassen sie sich, dann lieben sie sich" (v.a. Walter Hills „48 hours"). Aber erst das stahlharte Duo Murtough und Riggs formte die Baller-Kumpelei zum eigenen Genre, das bis heute in schöner Regelmäßigkeit bedient wird. Shane Black ist hier so etwas wie der Platzhirsch, denn kaum einer verstand (und versteht) es lockere, frotzelnde Sprüche, deftige Gewaltspitzen und einen zwischen Flapsigkeit und Ernsthaftigkeit hin und her hüpfenden Tonfall so zu verrühren, dass der Action-Gourmet mit der Zunge schnalzt.

2005 war es dann endlich soweit, Black durfte eines seiner Bücher selbst verfilmen. Bei „Kiss Kiss, Bang Bang"  konnte er sein Faible für Groschenromane und Raymond Chandler erstmals vollends ausleben und lieferte eine der abgedrehtesten, ideenreichsten und witzigsten Detektiv-Possen aller Zeiten. Das ungleiche Buddy-Duo Robert Downey Jr. und Val Kilmer jagte er durch eine irre Crime-Story, aufgepeppt mit unzähligen hard boiled und Screwball-Referenzen. Für das Mainstreampublikum war das offenbar des irrwitzigen zu viel und Black musste erstmal wieder das Regie-Ruder abgeben.

Dass ihn ausgerechnet die momentan größte Blockbusterschmiede wieder auf die Beine half ist schon eine ironische Breitseite. Marvel wollte für das zweite „Iron Man"-Sequel einen frecheren Ansatz und erinnerte sich offenbar Blacks besonderer Qualitäten. Dass der inzwischen völlig unerwartet zum Superstar aufgestiegene Downey Jr. den Titelsuperhelden mimte, dürfte auch nicht geschadet haben. Um es abzukürzen: nach dem (natürlichen) Megahit „Iron Man 3" durfte Black sich endlich mal wieder nach Herzenslust austoben, das Vehikel dazu: „The Nice Guys".

Klar kann man jetzt sagen, man nehme Buddy-Konstellation (der Trottel und der Harte), Location (das L.A. der Abgedrehten und Showbusiness-Versager), verworrenen Krimi-Plot und One-Liner-Dauerfeuer aus „Kiss Kiss, Bang Bang", transferiere den ganzen Apparat in die 70er, und fertig ist der neue Kult-Buddy-Kracher für Freunde des explizit nicht vordergründigen Humors. Am Ende wäre das schon ein wenig unfair, zumal die Parallelen dem Spaß keinen Abbruch tun.

Ohnehin steht und fällt das ganze Konstrukt mit den beiden Buddies. Und hier hat Black mal wieder feinstes Gespür bewiesen und alles richtig gemacht. Schon die Idee den immer etwas schnöselig und feinsinnig wirkenden Ryan Gosling mit der bärbeißigen Testosteron-Urgewalt Russel Crowe auf Tuchfühlung gehen zu lassen, hat den unschlagbaren Charme des Unerwarteten. Und die beiden Mimen danken es ihm auf ganzer Linie.
Gosling ist schlichtweg zum Brüllen als völlig verpeilter Privatschnüffler Holland March, für den das Einschlagen einer Scheibe schon zum Überlebensrisiko wird und der bei drohender Gefahr auch gern mal laut losheult. Ständig versteht er etwas falsch, oder gleich gar nicht und wäre ohne seine aufgeweckte und deutlich belichtetere Tochter reichlich aufgeschmissen. Mit sichtlicher Spielfreude bürstet Gosling dabei sein Image als cooler Frauenschwarm gegen den Strich und ist sympathisch wie lange nicht mehr.
„Gladiator" Russel Crowe tut es ihm gleich und nimmt seine „L.A. Confidential"-Paraderolle als brutaler Schläger süffisant auf die Hörner. Mit deutlich sichtbarer Plauze und speckiger hellblauer Lederjacke prügelt er sich durch den undurchsichtigen Fall und schüttet dabei ein ganzes Füllhorn trockener Sprüche aus. Als Geldeintreiber Jackson Healy ist er zwar mal wieder der Mann fürs Grobe, aber selten hat er dabei so locker und souverän gewirkt wie hier. Aber noch wichtiger: die Chemie zwischen den beiden stimmt und man nimmt ihnen den in Interviews behaupteten Spaß auch in jeder Einstellung ab.

Was die beiden zusammen führt, ist ein Kriminalfall der Marke verworren und in nicht immer schlüssige Richtungen mäandernd. Hier frönt Black offenbar erneut seiner Liebe zur Pulp-Literatur der 30er und 40er und lässt seine Ermittler im Sumpf aus Porno, Gewalt und schmierigen Geschäftemachern wühlen. Es geht unter anderen um den Tod eines Porno-Sternchens (bei dem Black mit „The last boyscout" und „Kiss Kiss, Bang Bang" gleich zwei seiner Skripts zitiert) sowie ein verschwundenes Töchterlein aus hohen Kreisen. So richtig blicken da weder  die beiden Chaos-Ermittler noch wie als Zuschauer durch, aber seis drum, die netten Jungs haben andere Stärken für die es sich lohnt am Ball zu bleiben.  

Auch Blacks Stärken liegen weniger im geradlinigen Bereich und das ist genau der Grund, warum „The Nice Guys" so launig unterhält. Die Komik, selbst der eingestreute Slapstick, wird mit einer beiläufigen Selbstverständlichkeit untergemischt, die den bevorzugten Konsumenten der gängigen Fäkal-, Pfurz- und Tiefschlag-Kalauer in tiefste Verwirrung stürzen dürfte. Manche Gags werden in keiner Weise kommentiert, sondern machen es sich am Bildrand oder im Hintergrund gemütlich. Anderes kommt so unvermittelt und staubtrocken daher, dass bei etwas längerer Leitung längst die übernächste Dekodierungsaufgabe wartet. Das ist erfrischend cool, aufreizend lässig und ok, manchmal auch ein wenig albern und ins Leere feuernd.

Ein Volltreffer ist aber in jedem Fall das 70er-Jahre-Flair. Was häufig nach Kostümfest, oder steriler Rekonstruktion aussieht, ist hier der rare Glücksfall einer stimmigen Zeitreise. Ob bunte Tapeten, farblich ähnlich krude Garderoben-Kombis, oder fiese Seitenhiebe auf die abstrusen Auswüchse der Hippie-Kultur, alles versprüht den Odem wohliger (oder unwohliger, je nach Standpunkt) Authentizität. Wer sich dagegen noch zur Wehr zu setzen vermag, der kapituliert spätestens vor der musikalischen Feinabstimmung durch wunderbar passende Seventies-Hits.

Und als wäre das noch nicht genug, serviert Black dem Filmkundigen reihenweise wohl dosierte Zwischenmahlzeiten aus der reichhaltigen Erinnerungs-Küche. Das passiert in Form von Filmplakaten, Wortzitaten, Darstellern, Situationen und Konstellationen. Für eine Einmalsichtung ist das ein Buffet, bei dem man sich leicht überfressen, oder angesichts der riesigen Auswahl auch auf Durchzug schalten kann. Aber diese Eigenheit seinen sprudelnden Ideenfluss nicht zügeln zu können, oder auch zu wollen, ist eben auch typisch Shane Black.  

So, genug geschwärmt. Es gibt auch Kritik, schließlich soll der am Ende zart angedeutete zweite Teil noch Möglichkeiten zur Perfektionierung bieten. Der Humor-Streukreis könnte einen etwas engeren Radius vertragen. Der Plot darf sich ruhig ein wenig mehr Relevanz und Stringenz trauen. Ansonsten bitte mehr davon und nicht wieder eine zehnjährige Künstlerpause einlegen. Die Buddy-Komödie mit Bums braucht dich. Oder für den Filmgourmet: Mach´s noch einmal, Shane!

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