Mit „Kingsman: The Secret Service“, „Spy“, „The Man from U.N.C.L.E.“, „Mission: Impossible – Rogue Nation“ und „Spectre“ hatte das Jahr 2015 bereits einiges an mehr oder weniger ernst gemeinten Agentenfilmen gelegt, Anfang 2016 legte Sacha Baron Cohen mit „The Brothers Grimsby“ nach.
Bei Grimsby handelt es sich um ein ärmliches Kaff in England, aus dem Nobby Butcher (Sacha Baron Cohen) stammt. Mit seiner Freundin Dawn (Rebel Wilson) hat er neun Kinder und wartet auf die Rückkehr seines verschollenen Bruders, selbst wenn das bedeutet, dass der Nachwuchs dessen ehemaliges Zimmer nicht nutzen kann. Nobby ist eine Variation von Cohens erster großer Kunstfigur Ali G, ein Dummkopf der englischen Unterschicht, bei dem die Kenntnis von Popkultur jede andere Form von Bildung ersetzt. Hatte Ali G sich noch in Hip-Hop-Pose geworfen, ist Nobby dagegen ein Hooligan, der sich dauernd betrinkt und Silvesterraketen aus seinem Anus starten lässt.
Sebastian Graves (Mark Strong) dagegen ist einer der Topagenten des MI6, bekannt für seine Gnadenlosigkeit, die man gleich in einer knalligen, größtenteils im Point-of-View-Stil gefilmten Actionsequenz kennenlernt. Einem Hinweis auf verbrecherisches Treiben folgt Sebastian zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung von Rhonda George (Penélope Cruz), die wiederum von dem Hitman Pavel Lukashenko (Scott Adkins) ins Visier genommen wird. Im Publikum sitzt auch Nobby, der erfahren hat, dass Sebastian dort sein würde – denn genau der ist jener verschwundene Bruder.
Es kommt wie es kommen muss: Dösbaddel Nobby platzt in Sebastians Rettungsversuch, Rhonda überlebt, aber der Chef der WHO wird getötet und alle halten Sebastian für den Täter. Der flieht nun mit Nobby vor den Schurken wie auch den eigenen Leuten…
Wer Sacha Baron Cohen, der auch hier wieder als einer von drei Drehbuchautoren massiv am Film mitschrieb, kennt, der ahnt, was ihn an Zoten erwartet. Denn vor derben Tabubrüchen macht „The Brothers Grimsby“ nicht halt, von Gift aus Wunden am Sack saugen über das Verstecken in der Vagina einer Elefantenkuh bis hin zu Nobbys sexueller Vorliebe für sehr beleibte Frauen wird hier alles explizit bebildert, ohne Rücksicht auf Verluste. Schade nur, dass das Timing bei weitem nicht so gut ist wie bei seinen besseren Filmen: Auf jeden gelungenen Gag kommen mindestens zwei Rohrkrepierer, manches wirkt ermüdend, anderes hingegen erfrischend böse, etwa der Einsatz eines Rollstuhlfahrers als Wurfgeschoss oder die Nachrichtensendung am Ende des Films, die noch einmal alle schrägen Ereignisse zusammenfasst. Denn in das turbulente Treiben werden unter anderem Daniel Radcliffe, Donald Trump, Liam Gallagher und Vin Diesel mit hineingezogen.
Die popkulturellen Referenzen fliegen tief, denn Nobby ist jemand, der seine Söhne Skeletor und Django Unchained nennt, während natürlich im Hintergrund immer andere Agentenfilme, vor allem ein englischer Kollege namens James Bond, als offensichtliches Ziel für die Parodie dienen. Doch sonderlich viel macht „The Brothers Grimsby“ nicht aus der Idee, den weltbesten Agenten mit dem weltgrößten Volltrottel loszuschicken. Die Geschichte um Biowaffen ist egal, die Identität des Schurken erahnt man schon, weil der Film dann doch lieber bekannten Genremustern folgt als sie zu sezieren und die kurzen Charaktermomente, in denen man sich mit der Trennung der Brüder während ihrer Zeit im Waisenhaus beschäftigt, verpuffen schnell neben der Dauerdemonstration von Nobbys Blödheit.
Dabei hat „The Brothers Grimsby“ durchaus Potential für eine entsprechende Genreparodie, sitzt hier doch mit Louis Leterrier ein durchaus fähiger Actionregisseur am Werke. Tatsächlich haben Actionszenen wie der Auftakt oder eine Martial-Arts-Einlage von Kampfsportass Scott Adkins, der ansonsten als Schurke leider sehr an der Leine gehalten wird (auch wenn der Vergleich „Ukranian Ben Affleck“ auf amüsant vorhandene Ähnlichkeiten wie auch seine Rolle aus den „Undisputed“-Sequels anspielt), durchaus Bumms dahinter, aber es sind nur kurze, wenn auch teilweise überraschend harte Einlagen in der Slapstickrevue – immerhin bietet jene Szene, in der Nobby seine Vorliebe für Knarren entdeckt, Raum für ein paar makabre Comedyeinlagen.
Also schleppt sich der Film episodenhaft von Szene zu Szene, walzt manchen Gag bis zum Erbrechen aus und hat alles an Bord, was ein Agentenfilm so braucht, von Agentengadgets über Weltveränderungspläne bis hin zur obligatorischen Verführungsszene, bei der Vollidiot Nobby allerdings sein Ziel mit dem Zimmermädchen verwechselt, was immerhin zu einem recht lustigen, wenn auch niveaulosen Aneinandervorbeireden in der Hoteltoilette führt. Einige Running Gags über die Beschränktheit der Einwohner Grimsbys (gerade ihre schlechte Geheimhaltung) halten auch zum Schmunzeln an, während Cohen allerdings nicht nur auf ihnen herumhackt: Einerseits sind sie Zielscheibe vieler Witze, andrerseits zeichnet Cohen die Unterschicht als verschworen-verlässliches Volk mit Herz am rechten Fleck – aber um Botschaften geht es hier nicht.
Insofern beschränkt sich Sacha Baron Cohen als Hauptdarsteller mal wieder darauf sich zu verunstalten, zum Vollhorst zu machen und vor nichts zurückzuschrecken, was den Mann mal wieder unheimlich sympathisch macht, auch wenn seine Doofi-Routine nichts Neues ist. Mark Strong als Actionheld bietet da gelungenen Kontrast, während die Nebenrollen kaum zum Zuge kommen: Cohens Ehefrau Isla Fisher spielt nur das Helferlein in der Kommandozentrale, Penélope Cruz schaut für ein paar insgesamt vergessenswerte Szenen vorbei und auch Komikerin Rebel Wilson liefert nur ihre übliche Rolle als beschränkter White Trash ab. Scott Adkins hat außer der erwähnten Kampfeinlage wenig zu tun, was auch für Ian McShane gilt, der hier den Chef des MI6 spielt und in den Credits nicht genannt wird – es könnte an der Qualität des Films liegen.
Denn so sympathisch Cohen auch sein mag, so gern er auch Tabus bricht – seine Agentenparodie ist ein laues Lüftchen, da kann es noch so derbe und zotig werden. Sonderlich intelligent wird das Genre nicht seziert, das Potential der Prämisse wird selten genutzt und die Trefferquote der Gags ist schon sehr durchwachsen. Was schade ist, denn den einen oder anderen Brüller hat „The Brothers Grimsby“ zu bieten und die wenigen Actionszenen müssen sich vor der ernst gemeinten Konkurrenz nicht verstecken.