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"Cinque bambole per la luna d'agosto" (Five dolls for an august moon"), ein später und weniger bekannter Film von Mario Bava (Drehbuch: Mario di Nardo), ist schwer in ein Genre einzuordnen. Am ehesten meint man einen Thriller vor sich zu haben, aber Bava hat erstaunlicherweise - und obwohl er es bekanntermaßen beherrschte - nicht vorrangig auf Spannung hingearbeitet, sondern eher auf Stimmungen. Gleich zu Beginn sehen wir die junge Isabel (Ely Galleani) barfuß am Strand einer einsamen Insel entlanglaufen - zu einer ruhigen, verträumten Hammondorgel-Melodie von Piero Umiliani, die uns in verschiedenen Variationen durch den Film begleiten wird. Ein Bild, das Unkompliziertheit und Harmonie ausstrahlt.

Doch dies ist nur die eine Seite der Ereignisse in Bavas Film - wie sich bald herausstellt, ist Isabels freundliche Erscheinung als Gegenbild zu einer Welt der kaltblütigen geldgierigen Intrigen zu sehen, die sich im Haus des Industriellen George Stark abzeichnet: Hier versuchen Geschäftsleute, dem Wissenschaftler Fritz Larsen (William Berger) eine Formel abzuluchsen, deren Besitz sich für sie sehr lukrativ auswirken würde. So lukrativ, dass mit Millionenschecks um sich geworfen wird. Zwischendurch vergnügt man sich mit dekadenten Spielchen. So darf Edwige Fenech in der Rolle der Gattin eines der Gäste einen wilden Tanz zu Dschungelmusik aufführen, um sich kurz darauf zum Schein ermorden zu lassen... doch bald wird aus dem Spiel Ernst, und einer nach dem anderen stirbt. Dies klingt wie die Einleitung eines traditionellen Tätersuchspiels, doch wer dies erwartet, kennt Bavas bissigen schwarzen Humor nicht - hier wird es nie "den Täter und die Opfer" oder "den Schuldigen und die Unschuldigen" geben.

Bei den teils makabren, jedoch kühl und distanziert inszenierten Morden, wie auch bei den raffgierigen Machtspielchen der Geschäftsleute, kommt Bavas pessimistisch-zynisches Menschenbild, das bei seinen letzten Filmen mitunter besonders deutlich wird, unverkennbar zum Ausdruck. Die emotionale Verarmung der Liebespaare, die anscheinend nur durch kleine Seitensprünge überhaupt noch Leben in ihre Beziehung zu bringen vermögen, wird in einem drastischen Bild kommentiert - die Leichen werden in einen großen Kühlraum verfrachtet, wo sie in Plastikfolie verpackt neben riesigen Fleischstücken geschlachteter Tiere hängen.

Dabei mag es der eine oder andere als Inszenierungsschwäche missverstehen, dass bei einem Mordfall das Leben auf der Insel nach einem kurzen Schreck so weitergeht wie vorher. Aber hier liegt vielleicht die Kernaussage des Films. Drastisch gesagt sind diese Menschen schon gefühlsmäßig halbtot, so dass sie weder echte Trauer über den Tod der Mitmenschen empfinden noch selbst in Todesangst verfallen. Einen Höhepunkt dieser schattenhaften Daseinsform bildet eine raffinierte Szene, in der Trude Larsen (Ira von Fürstenberg) per Tonband eine Aufzeichnung macht, auf der Personen zu hören sind, die im Haus waren und die Bewohner - die zu diesem Zeitpunkt schliefen - nicht wahrgenommen haben...

Die junge Isabel und der Professor geben dazu ein Gegenbild ab. Er, der idealistische Wissenschaftler, will seine Formel nicht zur kommerziellen Ausbeutung freigeben, sie scheint ebenfalls materielle Interessen kaum zu kennen. Während die meisten der Figuren an das Haus von George Stark gebunden sind, das als kalter artifizieller Klotz inmitten der idyllischen Inselumgebung steht, scheint sie als sorglos-verspieltes Naturkind mit der Insel verwachsen. In auffällig vielen Szenen sehen und sprechen sie und die anderen Figuren sich lediglich über weite Entfernungen, was die Differenzierung verdeutlicht.

Das alles lässt jedoch nicht auf die kontrastartige Schlussszene schließen, die das ganze bissig in ein ganz neues Licht stellt und zwei der Figuren nicht nur in neuer Aufmachung, sondern in einem unerwarteten Zusammenhang erscheinen lässt. Die Naturaufnahmen der Insel im Dämmerlicht weichen einer grellen, kantigen Architektur und die sanften Hammondorgel-Klänge aggressiver Rockmusik. Grandios, was für einen Ausklang Bava hier zaubert. Hier weht auf einmal ein frischer Wind durch den zuvor von Leichenduft umgebenen Film. Wie auch "Reazione a catena" und "Cani arrabbiati" ein wunderbares Spätwerk dieses Großmeisters des italienischen Genrekinos.

Anmerkung:
Die Namen der Figuren basieren auf der italienischen Fassung, in der englischen Fassung lauten sie teilweise anders.

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