Inspiriert vom Roman „Gast im Weltraum“ des polnischen Autors Stanislaw Lem drehte der tschechoslowakische Regisseur Jindrich Polák („Pan Tau“) im Jahre 1963 den Science-Fiction-Film „Ikarie XB 1“ komplett in Schwarzweiß. Im Jahre 2163 bricht eine Raumfahrtexpedition zum Alpha Centauri auf, um einen neuen Planeten zu besiedeln. Auf dem Weg dorthin stößt man zunächst auf ein Raumschiff aus dem 20. Jahrhundert, auf dem sämtliche Besatzungsmitglieder den Tod fanden. Außerdem gerät man in den gefährlichen Strahlenkreis eines Dunkelsterns. Wird die Besatzung ihr Ziel erreichen?
In detailreicher, sehr gelungener Science-Fiction-Ausstattung erzählt Polák in betont ernstem Tonfall eine Geschichte von menschlicher Hoffnung, menschlichem Versagen und menschlicher Furcht. Ohne in ideologische Fahrwasser zu geraten wird unüberhörbare Kritik laut am selbstzerstörerischen Verhalten der Menschheit, das es zu überwinden gilt, sowie konkret an den Verbrechen des Dritten Reichs und den Gefahren unkontrollierbarer Massenvernichtungswaffen. Auf Horrorelemente wird vollständig verzichtet, Spannung wird erzeugt durch die Begegnungen mit der Vergangenheit, die bei Erscheinen des Films Gegenwart war, sowie vor allem die Konfrontation mit dem Dunkelstern, die richtiggehend gruselig ausgekostet wird und im Zusammenhang mit der weitestgehenden Nüchternheit des Films beängstigend dystopische Ausmaße annimmt – um letztlich jedoch in einem Hoffnung spendenden, offenen Ende zu münden.
Die Dramaturgie des Films mit seinen zweckmäßigen schauspielerischen Leistungen kann nur schwer guten Gewissens als dauerhaft fesselnd bezeichnet werden. Das Tempo zwischen den beiden Höhepunkten der Handlung wird immer wieder arg gedrosselt, auf Action oder ähnliche Stilelemente setzte man ausdrücklich nicht. Zwar wird dadurch die Monotonie an Bord während der langen Reise durchaus spürbar, doch dürfte auch die Aufmerksamkeit des Zuschauers darunter leiden. Aufzulockern versuchte man das Ganze beispielsweise mit einer unvermeidlichen Tanzeinlage, die wie auch bei der westlichen Konkurrenz mehr zum Schmunzeln als zu allem anderen einlädt. Dankenswerterweise verzichtete man dafür aber auf ausuferndes pseudowissenschaftliches Technik-Gesabbel und überflüssige Romanzen innerhalb der gemischtgeschlechtlichen Besatzung.
Das eigentlich Interessante an „Ikarie XB 1“ ist natürlich der filmhistorische und gesellschaftliche Kontext, in dem er betrachtet werden sollte. Er ist eines der Aushängeschilder des sozialistischen Science-Fiction-Films, der ebenso wie die reale Raumfahrt in Konkurrenz zu seinen westlichen Mitbewerbern jenseits des Warschauer Pakts stand. Roger Corman erkannte das Potential des Films, schnitt ihn um, versah ihn mit einem kitschigen, USA-freundlichen Ende und gab ihn als US-Produktion aus. Aus heutiger Sicht ist „Ikarie XB 1“ ein faszinierendes Zeitzeugnis des phantastischen Films der Ostblockstaaten, der angenehm eigenständig und ambitioniert wirkt und sich mit seinem Bemühen um Realismus und seiner anti-militaristischen Ausrichtung stark von oftmals eindimensionaleren und/oder trashigen westlichen Vertretern unterscheidet.