Review

„Kill Tschill´! - Man schießt deutsch"

Man muss den Mann für seine Hartnäckigkeit und seine Überzeugung einfach bewundern. Immer wieder versucht er sich an der Herkulesaufgabe, deutsches Genrekino für ein hiesiges Massenpublikum zu etablieren. Das erfordert Chuzpe, gerade weil man hierzulande auf solche Versuche gern mit Häme, Spott und Kopfschütteln reagiert. Ein bisschen Verrücktheit und Arroganz schadet daher also auch nicht. Aber da muss man sich dann wiederum keine Sorgen machen. Der Mann heißt Schweiger, Til Schweiger und ist Deutschlands größter Filmstar.

Damit ist er ganz automatisch auch Deutschlands größter Komödien-Star, denn etwas anderes aus heimischer Produktion funktioniert hier nicht. Egal ob Platzhirsch RomCom („Keinohrhasen", „Kokowääh", „Männerpensison"), hartnäckiger Verfolger Klamotte („1 1/2 Ritter", „Wo ist Fred?" , oder Sidekick Persiflage („(T)Raumschiff Surprise"), Schweiger war und ist im komischen Fach immer ein Hitgarant. Gern darf das Ganze auch mal einen tragischen Touch haben, wie in „Barfuss", oder jüngst „Honig im Topf". Aber zu ernst sollte es dann bitte nicht werden und schon gar nicht brutal.

So gesehen machen sich die jeweils 700 000 Zuschauer für den Gangster-Thriller „Der Eisbär" (1998) und das Action-Drama „Schutzengel" (2012) sogar noch ganz gut. Für das erfolgsverwöhnte Multitalent (Schauspieler, Regisseur, Autor und Produzent) sind solche Ergebnisse allerdings wenig befriedigend. Aber Schweiger wäre nicht 20 Jahre an der Spitze ohne Clevernerness. Also heuerte er kurzerhand beim erfolgreichsten deutschen Fernsehformat an, baute dieses nach seinen Vorlieben und Vorstellungen um und schuf damit beste Vorraussetzungen für den Erfolg eines Kinoablegers.  

Genrekino kann übrigens auch Schweigers „Tatort"-Haus und Hof-Regisseur Christian Alvart (er dirigierte alle vier Tschiller-Einsätze). Mit dem Serienkiller-Thriller „Antikörper" (2005), dem Science-Fiction-Horror-Zwitter „Pandorum" (2009) und dem biographischen Krimi-Drama „Banklady" (2013) hat der gebürtige Hesse drei schicke Genre-Pakete geschnürt, die trotz vergleichsweise schmaler Budgets mit breiter Brust daherkommen. Vielleicht duften seine „Tatort"-Folgen auch deshalb so stark nach Kino und machen den oft staubigen Mief deutscher TV-Krimikost vergessen. Das Team Schweiger-Alvart entwickelten jedenfalls sein ureigenes Profil innerhalb der „Tatort"-Reihe, das sich in Auslegung und Machart unverhohlen an US-amerikanischen Standards orientiert.

Natürlich wurde Schweigers Action-Spritze für den eher betulichen TV-Dauerbrenner „Tatort" keineswegs von jedermann goutiert, aber die Quote stimmte. Der zupackende und schießfreudige Kommissar Niklas „Nick" Tschiller hat so gar nichts mit seinen vornehmlich grüblerischen und psychologisierenden Serien-Kollegen gemein, aber genau in dieser Andersartigkeit liegt auch sein Charme. Mitte der 1980er Jahre hatte Götz George als Horst Schimanski mit einer ähnlich polarisierenden Figur schon einmal große Erfolge gefeiert, die sogar zwei erfolgreiche Kinofilme („Zahn um Zahn", Zabou") abwarfen. Warum solle dies mit Schweiger nicht wieder klappen?

An Ehrgeiz mangelte es den Machern jedenfalls nicht. Mit einem deutlich höheren Budget als bei den vorangegangenen vier Tschiller-Tatort-Folgen, einer über 40-tätigen Drehzeit und zahlreichen Vor-Ort-Szenen in Istanbul und Moskau, sprengte man den engen und miefigen TV-Rahmen deutlich und orientierte sich an internationalen Standards. Auch der Actionanteil wurde nochmals spürbar erhöht und so ballert und prügelt sich Tschiller durch die türkisch-russische Unterwelt als gäbe es kein Morgen. Liam Neeson in „96 hours" lässt grüßen. Und das nicht nur hinsichtlich der unzimperlichen Vorgehensweise.

Denn auch Tschillers Tochter Lenny (Luna Schweiger) wurde von einem skrupellosen Verbrecherring entführt und droht im brutalen Dschungel aus Mädchenhandel, Prostitution und Drogensucht für immer zu verschwinden. Dass sie auf eigene Faust den Mörder ihrer Mutter in Istanbul aufspürt und zu ermorden versucht und erst so in die tödliche Bredouille gerät, mag als gewagte Skript-Kapriole das ein oder andere Kopfschütteln verursachen, aber mal ganz ehrlich, hat uns Vergleichbares bei Willis, Statham und Neeson sonderlich gestört?
Tschiller jedenfalls lamentiert nicht lange, flieht kurzerhand an den Bosporus und begegnet dort erneut seinem Hamburger Erzfeind Firat Asdan. Doch diesmal zieht ein anderer die Strippen und zwingt den beurlaubten Kommissar zu einer blutigen Hetzjagd rund um den Globus. Wenigstens kann er dabei auf seinen langjährigen Partner und Freund Yalcin Gümer (Fahri Yardim) zählen, der ihn immer wieder vor Schlimmerem bewahrt ...

Das hört sich nach einem 08/15-Actionplot an? Das ist ein 08/15-Actionplot und das ist eine gute Nachricht. Denn „Tschiller: Off Duty" beweist, dass Actionkino Made in Germany sich keineswegs vor Kollegen mindestens aus Frankreich oder England zu verstecken baucht. Zwar reicht es nicht ganz für ein Actioninferno Marke Hollywood, aber dort wird auch erheblich mehr Geld verbrannt. Also sind die Shootouts und Kämpfe etwas kürzer, die Anzahl geschrotteter Fahrzeuge etwas geringer und die Explosionen etwas kleiner. Dennoch kommt der geneigte Genrefan voll auf seine Kosten und wird zudem mit schicken Original-Locations belohnt, die sich auch inszenatorisch erheblich vom schäbigen Ostblock-Look zahlloser DTV-Produktionen ehemaliger Action-Größen wie Seagal, Lundgren und Van Damme absetzen.
Überhaupt war es geschickt, die Handlung fast vollständig auszulagern, da ein Rot sehender Polizist mit der Waffe im Anschlag in bundesdeutschen Gefilden immer etwas deplatziert wirkt. Til Schweiger jedenfalls überzeugt als Ein Mann-Armee auf Rachefeldzug, zumal er weit weniger verbissen spielt wie in vielen früheren Actionrollen. Auch die Chemie mit Fahri Yardim - der als komischer Sidekick mit traumwandlerischen Timing schon Tschillers Tatort-Einsätze ordentlich aufpeppte - stimmt auf den Punkt, so dass „Tschiller: Off Duty" auch mit dem in Cop-Filmen gern genommenen Extra der Budddy-Frotzeleien punktet.

Abzüge gibt es lediglich bei der Lauflänge und der Musikuntermalung. Fast 2,5 Stunden sind dann doch etwas viel für den im Kern relativ simplen Revenge-Plot. Mit den Themen Mädchenhandel, Organschmuggel und länderübegreifendem Gangsterkrieg ist der Film streckenweise auch  erzählerisch überladen. Ähnliches gilt für den Score, der zwischen klassischen Genre-Tönen und diversen Songtiteln unterschiedlichster Gattungen hin und her springt. Vor allem das Einstreuen beatlastiger Popsongs ist in solch einem finsteren Szenario ein unpassend greller Farbtupfer und soll wohl Schweigers RomCom-Publikum anlocken bzw. ansprechen. Aber das trübt den Action-Spaß nur am Rande und soll nicht als Warnung missverstanden werden.

Es bleibt dabei. Til Schweiger macht nicht nur auf romantischen Freiersfüßen, sondern auch auf dem urbanen Kriegspfad eine sehr gute Figur und beweist zum wiederholten Mal Faible, Expertise und nicht zuletzt Engagement für deutsches Genre-Kino. Man muss ihn deswegen nicht lieben, aber ein gehöriges Maß an Respekt hat er dafür mindestens verdient. Auch für den besten Oneliner im deutschen Kino seit, ja seit wann eigentlich? Na egal, vermutlich ist er der erste und dann auch noch auf Englisch: „I burn your house down and kill you all."

Details
Ähnliche Filme