Review

Immer mitten in die Fresse rein!

"Deadpool" mausert sich zum frühen Überraschungshit 2016 & übertrifft fast in sämtlichen Kategorien meine Erwartungen - denn der Trailer war zwar cool, trotzdem war ich mir bis zum Ende nicht sicher, ob der sarkastische Mr. Pool wirklich ins Rot-Schwarze trifft. Das tut er weitestgehend & ist ein Superheldenfilm, wie man ihn so noch nicht gesehen hat. Ironisch, extrem meta, rotzig frech - von der (Origin-)Story her, könnte er kaum klassischer sein, von seiner Art & Umsetzung ist er anti-alles, richtig witzig & verdammt ehrlich. 

Ein frischer Wind mit perfektem Timing - genau dann, wenn die Flut an Comicfilmen der breiten Masse langsam auf den Sack geht. Daher trifft "Deadpool" perfekt den Massengeschmack (nicht nur dank 90er-HipHop-Soundtrack), liefert einen der am besten getroffensten Helden aller Zeiten & befriedigt so auch Hardcore-Fans der Comics (wo ich nicht wirklich zu zähle). Viel mehr konnte man nicht erhoffen - und daher hat er seinen Hype auch verdient. Den besten Film des Jahres sollte man aber auf keinen Fall erwarten - eher einfach kurzweiligen Spaß & eine temporeiche, fantastische Zeit. Am besten mit Bier, Buddies & B... So viel Tempo & Spaß hat man bei weitem nicht mehr bei jeder Comicverfilmung, erst recht nicht, wenn viele auf dunkel, trist & depri machen.

"Deadpool" wird nicht chronologisch erzählt, ist aber im Endeffekt eine Liebes-, Rache- & Entstehungsgeschichte, genau wie man sie erwartet nach den Trailern. Liebe, Krankheit, Experimente, Rache - Finito. Nur perverser, härter & bissiger als bei Wolverine & Co., in deren X-Men-Universum Deadpool grob angesiedelt ist & denen er ordentlich die Einheitsbrei-Leviten liest. Die Anspielungen auf andere Comicverfilmungen sind absolut großartig, wenn auch eher an die Eingeweihten gerichtet, von denen gar nicht so viele im vollbepackten Kino waren. Der Film wirkt wie ein audgedrehter Comic, ein Kapitel der X-Men fast außerhalb der Seiten & sonstigen Abenteuern. 

Ryan Reynolds hat endlich seine Rolle & DEN Deadpool gefunden. Kann man nicht besser machen & bei so einer hartnäckigen Leistung über Jahre, verzeiht man dem ohnehin schon immer sympathischen Typen endgültig alle Fehltritte, von Green Lantern bis "Deadpool" im grottigen Wolverine Origins. Aber nicht nur Deadpool wurde auffallend gut getroffen, von leinwanddurchbrechenden Sprüchen bis zum genialen Anzug, auch die wenigen, eingefügten X-Men passen perfekt, der Bösewicht Ajax ist einer derer, die besser im Gedächtnis hängen bleiben, & sogar die Chemie & Liebesgeschichte zur Frau an der Seite des Mercs with a Mouth sitzt latexeng. Tolle Besetzung, cooler Style & pure Freude zu sehen, dass das Projekt doch noch umgesetzt werden konnte. Von Fans für Fans, fühlt sich oft an wie ein YouTube-Fanfilm in groß - was absolut genial ist.

"Deadpool" ist ein Film für die Massen & gleichzeitig für Comicfans, mein bisheriger Text hört sich verdammt perfekt an & mein Daumen geht klar nach oben. Perfekt ist der Film aber dann doch nicht ganz. Die breite Masse wird extrem überrascht sein, umgehauen & das Gefühl haben, den geilsten, zugänglichsten & eigenartigsten Comicfilm aller Zeiten zu sehen. Jeder der sich aber etwas mit der Materie beschäftigt, seine Erwartungen zu hoch hängt (egal ob in Sachen Humor oder Härte), allgemein viele Filme sieht & dem Hype zu sehr verfällt, der könnte dann doch (auf hohem Niveau) enttäuscht werden. Denn nicht jeder Gag sitzt (kein Wunder, wenn alle 5 Sekunden einer nach dem anderen rausgefeuert wird), super viele sind (partytauglich) flach & die Grundgeschichte ist überraschend simpel & schon oft gesehen. So zwar noch nie, es ist die (Mainstream-)Geburt eines Kultcharakters - aber im Endeffekt, und das weiß er auch selbst, ist er seinem Schwarm Wolverine ähnlicher als er zugeben mag. Nur mag der halt kein Wham, Hello Kitty oder anale Penetration. 

Und auch wenn sich das alles extrem abgefahren, neuartig anhört & euer 15-jähriger Nachbar von schräg gegenüber auf Facebook ausflippt & den Film feiert wie seine Beschneidung - der Film ist weder so brutal, noch so versaut, wie er es komplett ohne Bremsen hätte werden können. "Kick-Ass", "Kingsman" oder "Blade" sind (in unterschiedlicher Weise) allesamt gar nicht so weit entfernt vom Söldner mit der großen Klappe. Meckern auf hohem Niveau ist das - also nicht vergessen: "Deadpool" ist ein Herzensprojekt & Volltreffer, bei dem es nur minimal zwickt in intimeren Stellen des engen Kostüms. Aber das hat Wade Wilson vielleicht ja sogar gerne. 

Fazit: trifft den Zahn der Zeit & reißt ihn laut lachend direkt heraus. Selbst wenn man (vernünftigerweise) nicht die lustigste, härteste & innovativste Comicverfilmung aller Zeiten erwartet & dem Hype gemaßregelt gegenübertritt, hat man enorm viel Spaß & muss den Hut ziehen vor so einer vorlagentreuen Adaption! Danke an Reynolds & sein Team für Mut, Geduld & Eier - daher auch in meiner All-Time-Top 10 der besten Comicverfilmungen!

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