Unheimlich langatmige Begegnung der familiären Art
Materialschlachten sieht man momentan, vor allem durch die Comicverfilmungen, gefühlt wöchentlich im Kino. Da wurde es natürlich mal Zeit, dass sich im Fantasy-Genre ein ruhiger Gegenpol erhebt. Und wer wäre dafür besser geeignet, als der melancholische Südstaaten-Fan Jeff Nichols, Macher der sehr guten "Take Shelter" & "Mud". Der für sein junges Alter untypische, sehr reife & ruhige Filme machende Regisseur, bleibt auch bei seiner Spielberg-Hommage "Midnight Special" seinem etablieren Stil treu, was ich bewundere. Klar kommt er bisher gut an & ist eine erholsame Brise zur Hollywood-Hektik - trotzdem locken Ruhm, Lob, Erfolg & größere Budgets natürlich vom rechten Pfad abzukommen. Das tut er zum Glück nicht, dieser Mann hat sich gefunden. Und Sci-Fi-Fans könnten hier eine kleine Perle finden, denn die Geschichte des kleinen Alton, der übernatürliche Fähigkeiten besitzt & mit seinem Vater auf der Flucht ist, hat Charme, Chemie &... definitiv zu viel Leerlauf für mich :/.
Umso weniger man über den Film weiß, umso besser. Dass er anscheinend stark unter dem Radar der deutschen Zuschauer fliegt & nur in wenigen Kinos läuft ist aber trotzdem schade. Andererseits ist der Film wirklich sehr langsam & könnte den unvorbereiteten Mainstreamler böse enttäuschen & kalt erwischen. Mir gefiel er gerade noch so, es gibt mehr Positives als Negatives, auch wenn ich mir im Endeffekt doch wesentlich mehr erhofft hatte. Nichols liebt Familiendramen voller Emotionen & Wucht - das ist auch hier der intime Kern der Geschichte, und der ist meist klasse. Die Schauspieler, allen voran Edgerton & Shannon, machen das grandios & auch der kleine Junge lässt mitleiden & miträtseln. Der Ton ist vielleicht etwas zu ernst, wodurch die Auflockerungsversuche von Kylo... äh, Adam Driver nicht immer gelingen, bei mir aber auf eine ausgetrocknete Spaß-Kehle trafen.
Die Atmosphäre ist super dicht, was bei mir vor allem am Gänsehaut-Soundtrack lag, & der Ansatz immer originell & mysteriös unvorhersehbar. Trotzdem passiert insgesamt einfach viel zu wenig & das anfängliche Tempo, samt Herzschlag-Bass der fast etwas an "Drive" erinnert, versickert & kulminiert in einem Finale ala "Tomorrowland" im Arthouse-Gewand. Befriedigung sieht anders aus - Mystery & Kult könnte so aber seinen Anfang nehmen. Wenn es mal laut wird & kracht, sei es eine bombardierte Tankstelle oder die (er-)leuchtenden Augen des Jungen, war ich begeistert. Bei seinen plötzlich auftretenden Attacken sogar mit stark erhöhtem Puls - das ist schon laut & nahe am fantastischen JumpScare. Wenige geniale Sekunden entschädigen jedoch nicht für über 100 Minuten Fast-Leere oder Wiederholungen. Das war mir bei Nichols schon vorher klar, trotzdem greife ich da dann doch lieber zu den Originalen wie "E.T." oder dem flacheren, aber wesentlich unterhaltsameren "Super 8". Viel zu dunkle Nacht-Wald-Szenen plus ganze ungenutzt verbleibende, im Sand verlaufende Handlungsstränge setzen meiner Semi-Enttäuschung dann noch die Krone, oder hier besser Schutzbrille, auf.
Fazit: viel Nichols, etwas Spielberg - der Herr bleibt sich treu & liefert einen intimen, mal ganz anderen "Superhelden"-Film, wenn man es denn überhaupt so bezeichnen kann. Von wunderschön bis langweilig ist alles dabei, insgesamt mag ich seine bisherigen Filme allerdings eher & seine dramatisch-familiäre Art bringt zwar viel Ungewohntes, Mutiges & Neues an den Fantasy-Tisch, verträgt sich aber nur bedingt mit dem Genre.